29. September 2010

Die Unmöglichkeit meiner Gedanken

Unmöglich,
ich so unter der Straßenlaterne
allein und um die Ecke lunzend.
Unmöglich,
ich so, allein im Dunkeln in ner Seitengasse am anderen Ende der Stadt.
Unmöglich, was ich manchmal so denke, wenn ich in mich reingrinse.
Unmöglich, was ich manchmal so tue.
Unmöglich, meine Existenz als rauchende Nichtraucherin.
Meine Impulse gehören verboten!
Mit so viel Impuls kommt doch keiner klar.
Dass ich impulsiv bin,
hast du gewusst.
Aber heimlich gehofft,
in Wahrheit sei ich doch nur berechnend.
Dass wünschte ich auch.
Ach, nee,
doch nicht.
Was fällt mir eigentlich ein.
Dich imaginär an und mich verbal auszuziehen.
Was fällt mir eigentlich ein.
Mich so unter Palmen.
Du so neben mir.
Unmöglich.
Was ich mir dabei denke!

27. September 2010

Sometimes when I am hungry I act like I was drunk

Today you've told me
that the perfect moment
to wake up
is the one, when one dream ends,
and another begins.

Otherwise,
when you are waking up
in the middle
of a dream
or just at the ending,
you'll feel very tired
this morning.

Pro:
I always cry at endings.
So the moment to wake up is not perfect at all.
Because it isn't a good morning,
when your eyes hurt
and you feel like shit
and as if you weren't
dreaming
but living.

Con:
That way
my life always gets this mess.
I never realize
that I woke up
after the new Dream begun.

Thx to Belle an Sebastian and Or.

25. September 2010

Kleingemustert

Es flirrt mir vor den Augen. Ich muss dennoch hinsehen. Wie das Ameisenrennen am kaputten Fernseher einst. Wenn man schon eine Weile keine mainstreamige Indiediskothek mehr aufgesucht hat, kann es echt ein ganz schöner Augenfick werden, all diese Kleinmusterei mal wieder zu erblicken. Hinterm Dj-Pult ist es dreifach kariert. Die Ischen in der Ecke sind immer noch kleingeblümt (0h, ich ja auch, stelle ich an mir herunter sehend fest), Polka-Dots sind ja direkt verschwunden, dafür glitzert es mir noch aus so manch ödem Gesicht lethargisch aufgehübscht entgegen. Wieso hat sich diese Mode eigentlich noch nicht überlebt? Und überhaupt, wo ist der dekadenbeendende Bruch? Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie das mit den Schlaghosen zum Beispiel ganz plötzlich kam, Ende der 90-iger. Verblüfft war man zunächst, hörte der Mutter belächelnd zu, die wie bei jedem Revival ausrief: "Ja, endlich! So sind wir früher auch rumgerannt!", doch passte sich dann erstaunlich rasch an. Es brauchte keine weitere Dekade, sondern schon ca fünf Jahre später wendete sich dann ebenso schnell das Blatt wieder, als sich die Röhre frech ins Blickfeld rückte, die man zuerst als Omakarottenhose belächelte, so sehr war man schon schlagkonventioniert, doch bereits ein halbes Jahr später wisperte mir eine Freundin im Londonurlaub fremdbeschämt zu, ich solle mal den Saum meiner Hose enger nähen. Ich fühlte mich direkt obszön.
Ich wünschte mal, mir passiere dies jetzt ebenso mit Blümchen und Karos und Leggins und Tiermustern und all dem anderen Anfangsnullerkram. Ich will ein schickes Neunziger-Revival mit bauchfrei und Riesenmustern und Grungehaaren und geschminkten Fixernarben statt Glitzer im Gesicht! Oder ganz krassen Fancy-New-Shit, 2010 ist schließlich bald vorbei!
Irgendwie finde ich diese Zukunft ganz schön langweilig. Im Prinzip hätte man mich 2006 einfrieren können, und ich hätte wahrscheinlich keinen Unterschied gemerkt. Zum Glück ist der Sommer vorbei und ich muss wenigstens erst mal keine Ray-Ban Sonnenbrillen mehr sehen. Leider bedeutet dies gleichzeitig, dass die Uni bald beginnt und ich wieder erblicken werde, wie sämtliche Hipsters und Pseudonerds ihre langweiligen Gesichter mit Hornbrillen verinteressanten wollen. Ach, ich muss wohl szeneknirschend den Zeitgeist erkennen, um klar zu sehen: Man verödet mir die Augen, damit sie sich nach innen kehren können, um mich darauf vorzubereiten, dass 2020 anstatt eines Herzens ein Facebookaccount in unserer Brust schlägt. Unsere Statusupdates und Likes werden dann noch mit dem Hirn gesteuert, aber sie werden drinnen behalten, wo sie immer hingehörten. Geschickt wird durch den social networkigen Ersatz, ohne dass wir es spüren, simuliert, dass sie nach außen getragen werden. Also, das ist dann so wie Spieglein, Spieglein an der Wand bei Schneewittchen, die Königin kommt nie aus ihrer neidenden, narzisstischen Höhle raus, muss aber auf Grund der simulierten, öffentlichen Selbstdarstellung auch keine Schergen mehr ausschicken, um zu vernichten. Denn im inneren Facebookaccount ist alles nur zum Gefallen gedacht, da es ja um sich selbst kreisend bleibt. In vielfältigen Selbstfakeaccounts sind es nur noch Profile des eigenen Ichs, die bewerten und kommentieren, und die nach bewerten und kommentieren rufen. Es muss nur das alte Herz dem Auge überfälligerweise klar machen, dass eh alle gleich aussehen, dann kann es sich endlich auf die eigene, innere, vielfältige Schönheit konzentrieren und den Körper routiniert automatisiert nach Sexualpartnern suchen lassen. An der Schönheit des Selbst kann man sich ein Leben lang erfüllend ergötzen, wenn erst mal der störende Druck weg fällt. Es wird ein bequemes Leben werden. Was wird es dann zu Liken geben? Na, Hirngespinste und Selbstbestätigung. Notizen, die man nur selbst lesen kann. Endlich die Rückkehr ins Private wird das werden. In unserem Inneren werden immer andere Lieder tönen und bunte Filme geschoben. Die pure Selbstverwirklichung, die den schönen Nebeneffekt haben wird, dass man auch nicht mehr sehen kann, wie vorm Zauberfenster die Welt vor die Hunde geht. Ich kanns kaum erwarten.

24. September 2010

Erst mach ich mir noch mal schnell n Brot und dann werd ich erwachsen.

"Femizissmus" ist ein Wort, dass ich erst neulich erlernte und sogleich ziemlich großartig fand. Es bezeichnet den Zustand der vermeintlich emanzipierten Dame, die bereits glaubt, dass der Feminismus in der Gesellschaft schon etabliert genug ist, dass wieder ironiefrei tradierte Rollenklischees gelebt werden können, weil man im Herzen doch schon emanzipiert genug ist. Glaub ich nicht und blicke doch dem Narziss im Waschbecken ab und zu recht verliebt entgegen.
Runtergespült damit erstmal und die Sonnenstrahlen geniesen. Ein femizisstisches Phänomen ist es anscheinend auch, dass kaum ein schöner, gesellschaftskritischer, poetischer Feministinnenblog ohne Fashionabteilung zurecht kommt.
Also, ich seh ja heute so aus, wie es die "Gala" für den Frühherbst empfohlen hat, als Bohostyle: Flohmarktesques Sommerkleidchen, Strumpfhose mit Laufmaschen, abgeranzte, weiße Turnschuhe, Lederjacke, schwarze Hornbrille und Rucksack. Hat die "Gala" anscheinend gut beobachtet, denn so sieht das Stadtmädchen eben aus, wenn es den Sommer noch im Herzen trägt, der Hals doch bereits herbstanbietend kratzt. Oh. Leider hab ich mir letzte Woche die Haare färben lassen, sonst hätte ich sogar noch die dazugehörigen ausgewaschenen Blond-Rot Töne. Offenbar kommt man zu bestimmten Zeiten seines Lebens nicht umhin, wie ein Fashion-Victim zu wirken, so wie man zu gewissen Phasen seines Lebens nicht umhin kommt, depressiv zu sein, weil man jung und sensibel und wachen Herzens und offenen Ohres ist.

20. September 2010

Pfifferlingssuppe

Ich esse Pfifferlingssuppe und denke an Oma.
Meine Oma hatte nicht wie andere Omas ein Haus im Grünen, sondern eine Altbauwohnung im Kaßberg in Chemnitz mit einem riesigen Garten. Das war ziemlich toll, für mich und meinen Bruder, denn wir wohnten im Heckart-Gebiet in der selben Stadt und dort waren alle Häuser aus Beton und 12-geschossig, Stuck an den Decken gab es höchstens aus Styropor und ein kleiner "Vorgarten", also zwei Blumenbeete neben der Straße, waren das Grünste weit und breit.
Omas Wohnung war dagegen in meiner Erinnerung so groß wie der Tanzsaal eines barocken Schlosses und erfüllte mich ebenso mit Furcht wie mit Entzücken. Wenn ich heute Schlösser besichtige (nein, nicht oft, aber aus denkbaren Gründen Sanscoussi und Schloss Charlottenburg zum Beispiel) und in riesige Pantoffeln fahren muss, um über die Perlmuttböden zu laufen, so ist das auch nicht viel anders als damals, als meine winzigen Füße in Ringelsöckchen in die großen Gästepantoffeln fuhren und über den jahrhundertealten Dielenboden liefen. Die Türgriffe waren golden und mit Löwenköpfen verziert. Den Stuck hatte mein roter Opa in einem Anfall von Wut gegen westliche Dekadenz zwar von den Decken gehackt, aber wenn er neben dem Kachelofen von dem einstmaligen noch größeren Prunk erzählte, genügte mir dies, um mich wie die Thronerbin des Kulturkönigs zu fühlen. Mein Opa war nämlich Musiker und Klubhausleiter und von daher stets Unterstützer meiner künstlerischen Zukunftspläne, an denen sich in den letzten 18 Jahren nicht viel geändert hat.
"Wenn alle Leute hinken, dann gehst auch du richtig! (...) Verdien mit Schauspiel dir dein Brot und dann ab nach Hollywood!" dichtete er mir einst ins Poesiealbum und ich glaube, es verwundert damit nicht, warum ich manchmal unter den Abstürzen meines überlebensgroßen Egos leide.
Im Garten zwischen den Rhododentronbüschen wollte ich immer zusammen mit meinem Bruder und meinen Cousins "one of the boys" sein, aber wie sollte das funktionieren, wo ich mich doch so vor Schmetterlingen ekelte, dass es genügte, mir einen aus Papier hinzuhalten, um mich zu verscheuchen?
Im Herbst gingen unsere Großeltern mit uns in den Wald und sammelten Pilze. Da wir eine Familie von Hypochondern sind, landete die Hälfte davon im Ofen. Aus dem Rest wurde eine Pilzsuppe gekocht und eine solche Suppe habe ich nirgendwo wieder gegessen. Und mich auch selten so gefühlt, so umsorgt, sicher, gemütlich, draußen war Herbst, drinnen war verarmter Sozialistenadel.
Inzwischen hat sich einiges verändert, aber so viel dann doch nicht. Die Pilzsuppe kommt mittlerweile aus dem Geburtstagspäckchen, das mir Oma jährlich schickt. Ich packe es betrunken aus, esse eine Schachtel Katzenzungen am Stück, stecke mir die 20 Euro für mehr Alkohol am nächsten Tag in meinen Geldbeutel. Ich flenne ein bisschen, koche mir die Pfifferlingssuppe aus der Tüte und denke an den schönen Satz, den meine Oma zu meinem Opa sagte, und der doch für uns alle gedacht war, der mich an das realistische, beherzte Durchaltevermögen meiner Familie wieder glauben lässt, in dessen starker Tradition ich stehe:
"Du gaukelst dir da was vor!"
Danke, Oma. Ich steh auf, leg meine Feenflügel ab und werde eine Nebel, kein Glasnebelgeschöpf.

Was machst du?

Was machst du, wenn die Sonne scheint? Du igelst dich ein, löffelst Suppe, trinkst Tee und badest (aber nicht in Wasser!) und entschuldigst dich mit Pflichten.
Was machst du, wenn dich jemand anlächelt? Du misstraust und wartest auf das Messer hinterm Rücken.
Was machst du, wenn es zusticht? Du liegst am Boden und es gefällt dir ganz gut da, und du wartest, bis du ausblutest, anstatt das Pflaster in deiner Hosentasche zu suchen.
Geh raus, tagsüber. Die Sonne ist schon lang nicht mehr bloß popkulturell-angeberisch gelbe Sau, sondern du magst sie und fertig. Arbeite nachts. Trink mehr Kaffee, statt diesen einkuschelnden Tee, der dir falsche Geborgenheit vorspiegelt. Erledige deine Pflichten, denn es sind keine schlimmen, du bist weiß Gott wie privilegiert.
Luxusprobleme, Baby, wir sprachen darüber.
Und natürlich hätte ich dich gern neben mir und natürlich fände ich es besser, wenn alle Menschen nur meine Probleme hätten, dann wär schon ne ganze Menge an allgemeiner Aufglücksarbeit geleistet worden. Aber bis dahin muss ich mir erst einmal weniger selbst leid tun, in die Sonne rennen, Messer mit Pflastersteinen aus Plüsch bewerfen, mir ein Liedchen fideln, nen Text dazu schreiben und Koffein statt Nikotin aufnehmen.

17. September 2010

Ich mag M.

Ich mag meine Friseurin. Sie heißt M.
M. arbeitet in einem kleinen Discounterfriseur in Charlottenburg, so einem, der ohne Beratung gedacht ist, absichtlich ohne jeglichen Dekor gehalten, so dass man von Anfang an den Eindruck gewinnt, man spare hier erheblich. Hier gibt es "Gala" statt "Brigitte" zu lesen und angeboten wird einem ein Glas Wasser, aus der Leitung, keins mit Kohlensäure und schon gar kein Kaffee. Ein Styling mit jeglichem Klimbim ist ebensowenig drin wie ein aufgedrängter Small-Talk über Berufsleben und Ferienplanung. Hier werden meine Haare geschnitten und gefärbt, für nichts anderes bin ich gekommen. M käme niemals auf die Idee, mich zu fragen, "ob alles o.k. sei", wie ich die Frisur denn nun fände, ebensowenig, ob ich denn nicht lieber diesen oder jenen Trend mitmachen möchte. M. hört mir zu, und setzt das von mir schwerfällig artikulierte Bild in meinem Kopf dann in eine 1 A- Frisur um. Scherze macht M. nicht mit mir, sondern mit ihren Kollegen. Gern auch auf meine Kosten, denn als ihr Kollege F. mir einmal enthusiastisch Farbe auf den Kopf pinselte, in der Einwirkzeit einen lockenköpfigen Pubertätssympathen in einen kurzgetollten James Dean verwandelt, so begeistert ist, dass er mich darüber eine ganze Weile vergisst, macht es M. großen Spaß zu spekulieren, inwieweit sich diese Unachtsamkeit auf das haarige Ergebnis auswirken könnte, ob denn nicht die Gefahr bestehe, dass ich inzwischen blauschwarz schimmere.
In den Gesprächen, die ich zwischen ihnen mitbekomme, erfahre ich dann auch etwas über M. Dass sie ihren Führereschein machen möchte. Dass sie keine Zeit hat für den Erstehilfekurs, den zweitägigen. Dass sie die Musik nicht mag, die auf "Paradiso" läuft. Zugegeben, das ist nicht viel und doch glaube ich, M. soweit zu kennen, dass ich sie mag.
Während M. mir die Kopfhaut massiert, fühle ich mich angenehm der Welt unter meinen Haarwurzeln nah und tauche ein in die unerkundeten, endlosen Tiefen meines Nichts.
M. zeigt keinerlei Anerkennung für mich als Person, für sie bestehe ich nur aus einer Kombination von Augen-, Haut- und Naturhaarfarbe und doch zwinkert sie mir zu und erkennt mich jedes Mal, sobald ich im Türrahmen erscheine.
F. erzählt mir irgendeinen Quatsch über meine schönen Augen, die perfekt zur neuen Haarfarbe passen, M. steckt danklos mein Trinkgeld ein und fordert mich auf, mit dem Nachschneiden nicht zu lang zu warten.
Der Unterschied zwischen M. und F. ist ein bisschen wie der der deutschen Übersetzung der Zutatenliste eines libanesischen Weichgetränks von der englischen, von der mir eine Bekannte heute erzählte.
Deutsch: Destilliertes Wasser, im Geschmack angestiegen und datiert.
Englisch:Distilled Water, Rose-Flavour, Dates.

13. September 2010

Bild-

Ich bilde mir ein.
Man bildet mich aus.
Man bildet mich ein.
Ich komm nicht mehr raus.

Verbildest du mich?
Bin ich gebildet?
Wo sind all die Bilder?
Ich bilde den Geist und er bleibt inneres Gespenst.

Ich bilde mir ein
Ich- Bilder- bald- raus.
Man bildet in mich rein.
Schließt mich in die Bildung ein.
Ich bilde mich -hinaus.

12. September 2010

Eitle Art der Selbstverletzung

Sich mit dem Holzkamm striegeln.
Bis er auf der Kopfhaut ankommt und es weh tut.
Ist gut für die Haare.
100 Bürstenstriche am Tag.
Das ist so ein Omaspruch.
Verteilen das Fett im Haar.
Sagt Brigitte.
Meine Art, etwas zu spüren.
Sagt Sommer hier.

11. September 2010

Traube Nuss oder Ich bin drei Karat Kaugummiautomat!

Bekanntlich finde ich ja vieles appetitlich, was andere eher widerlich finden. Zum Beispiel Beutel-Mate-Tee, Tomatensaft, Bloody-Mary, Krautspätzle, Grapefruits, Spinat und dass es im Aufzug meiner Mietskaserne aus den 70ern ab und zu nach Sex riecht. Deshalb wirke ich oft etwas merkwürdig. Kann ich nicht verstehen. Bei einem kulinarischen Produkt meiner Vorliebe finde ich mich allerdings tatsächlich auch eher selbst etwas der geschmackvollen Wahrnehmung entrückt: Trauben-Nuss Schokolade. Why, to the hell?
O.k., ich liebe Schokolade, was sag ich, ich bin Anbeterin der Kakaobohne im Allgemeinen. Aber das bringt mich ja zum Beispiel auch nicht dazu, Marzipan oder Rumvariationen oder sonstige Sorten, die man halb zerlaufen und graubelagig aus einer faltigen Hand zu festlichen Anlässen empfängt, zu mögen.
Und ich mag keine Rosinen, geschweige denn Trauben. Und ich mag keine Schokoladenvermischungen. Und vor allem mag ich keine Nüsse. Ich hasse Nüsse viel mehr, son bisschen. Die erinnern mich immer an das allzu bald schon bevorstehende Weihnachten. Das Fest, das ja sowieso mit viel zu vielen Geschmacksverirrungen in Verbindung steht, zum Beispiel auch Orangen, goldenen Engeln, Lametta, schaukelpferdreitenden Jägern, anstatt mit dem wahren Anlass: Der Geburt des Weihnachtsmanns.
Doch wenn ich Trauben-Nussschokolade esse, so wie gerade im Moment, vermischt sich Kakao mit einem sauren Ziepen und einem harten Knuspergefühl zu einem orgiastischen Geschmack-Sinnes-symposium, dass mich körperlich und seelisch- ja, fast sättigt. Es schmeckt ein bisschen nach Blut. Hmmmm!
Vielleicht ist meine Vorliebe für diese Tafelsorte ja mit einer ebenso merkwürdigen und ebenfalls mit Weihnachten in Verbindung stehenden, anderen, eher kulturellen Vorliebe zu vergleichen. Ich gebe hier, zu, findet mich ruhig widerlich, ich kanns jetzt schon kaum erwarten, wieder allerorten
zu hören.

Oder
auch

10. September 2010

Rauchsucht durch Koffeinabhängigkeit ersetzen

Bin ich noch zu retten,
im Leben ohne Zigaretten?
Selbstgedrehte Glimmstängel machen zwar
auch einen auf tough und sympathisch,
doch leider vor allem todkrank, hustend, pleite
und phlegmatisch.

Ein Earl Grey am Morgen dagegen,
entlockt mir ein Grinsen im strömenden Regen.
Der Kaffee in der Eigensdafürpause,
gibt mir ein gruseliges Gefühl von zu Hause.
Ich weiß gar nicht, ob ich mich da so gut berate,
doch weiter geht es mit einer Mittagsclubmate.

Am Ende des Tages kann ich nicht schlafen,
und auch nicht mehr wissen, was reimt sich auf schlafen?
Doch wer braucht auch ein Tagleben in verrauchter Energie?
So motiviert war ich noch nie,
mich dem kleinen Bruder zu entziehen,
ich lobe mal das Koffein!

*Nachtrag am 13.9.: Auf Schlafen hätte ich reimen können: auch nicht mit dem Zählen von Schafen. Mir wurde klar, dass die Assoziation von "Schafen" und "schlafen" wohl einzig auf dem Reim beruht. "Schäfchen zählen", "Schäferstündchen" (für miteinander schlafen). Und das gefällt mir irgendwie nicht. Daher bleibts, wies ist.

Sprich lauter! Ich hör mich nicht!

Es ist doch ein angenehmes Gefühl, die eigene Stimme sprechen zu hören, wenn man Angst hatte, sie wäre bereits im lauten Widerhall in den Schreien gegen die Wände deines Ichs so strapaziert worden, dass sie leise und gebrochen sei und nur noch für sich selbst zu hören. Vielleicht höchstens für die noch, die dich schon so lange kennen, in deinem Facettenreichtum, der doch nur die blauen, lilanen und grünen Flecken deiner Seele widerspiegelt, dass sie meinen, sie verständen alles, was du sagst. Denn alles, was du sagst, bist du. Sie ahnen nicht, nicht einmal ein bisschen, dass das oftmals nicht du bist, du viel mehr gar nicht existierst, sondern die Stimmen deiner Zurechtweisungen aus dir sprechen, vermischt mit etwas, dass du einmal gern wärest, unter Einfluss und gleichzeitig merkwürdiger Fremdheit, von etwas, dass du einmal warst.
Doch heute war ein glasklarer Augenblick, in dem ich wusste, das meine Stimme auch für andere zu hören war. Ich spreche in unbekannte Gesichter, erröte dabei leicht und sie lächeln mich aufmunternd an, während ich in einfache Worte kleide, was ich glaube, verstanden zu haben. Der Moment war kurz, es war nicht viel, doch neben meiner eigenen (wie man manchmal sagt, lauten, markanten Stimme) hörte ich dazu noch eine fremde, die eine Information von mir in einem klugen Satz verwendet. Da hüpfte mein Herz und hatte endlich mal wieder einen guten Draht zum Kopf.

9. September 2010

Sometimes my skin...


seems just not skin enough to cover whats inside.
And it seems that it had to, to be friendly, sweet and to survive.
But sometimes I'm just durchsichtig.
Heute ist einfach nicht mein Tag. Heute ist einfach zuviel heute.
So wie dieser Abend im Juli schon zu viel gestern ist, als ich das erste Mal dies Jahr meine Jacke aus Tierhaut trug, denn es begann innen und außen plötzlich kalt zu werden.
Schon verrückt, wenn man das Nudel-ich aus dem brodelnden Topf nimmt, ordentlich durchsiebt, um mal zu gucken, was außer Verwässerung noch übrig bleibt und schließlich, der besseren Konsistenz wegen abschreckt.
Ich hab mal gelernt, das sei gar nicht gut, ein bisschen sollen die Nudeln schon aneinander kleben, damit die Soße besser hält und dem ganzen Schnellwarmessgericht etwas Würze verliehen wird.
Ich lerne heute, dass man mich nicht mit Spaghetti vergleichen sollte. Spaghetti mag ich nämlich.
Julia Roberts sagte mal irgendwas über reich sein und das allein mache nicht glücklich, aber es weine sich schon besser in nem schicken Wagen als in der Straßenbahn.
Ich meine:
Son Quatsch. Ich war schon froh, in der U-Bahn nicht allein gewesen zu sein, als mir Belle and Sebastian
mal wieder das Leben retteten.

8. September 2010

Pech gehabt

Ich schlief letzte Nacht wenig, dafür habe ich den Anfang der ersten Fantasygeschichte meines Lebens geschrieben. Eine für seltsame 15-jährige, so wie ich eine war und wohl auch viele der Menschen, die mir etwas bedeuten. Und ich weiß gar nicht, wieso.
Ansonsten bleibt alles beim Alten, Zeit mit Erinnerung vergeuden und sich schämen.
Pech gehabt, ich bin's nur.

Mein Platz

hat mich gerade daran erinnert,
dass ich noch 21 bin.

7. September 2010

Entwachsen

Entwachsen kann man so einigem. Beziehungen, Lieblings-T-Shirts (ein Freund wies mich neulich daraufhin, dass ich so gerne bauchfrei trüge, das sei ja eher ein bisschen 90iger), gar der eigenen Subkultur, wie ich in letzer Zeit schmerzhaft feststellte (weil sie im Laufe meines Wachstums zur Popkultur wurde, und zwar einer ganz schön langweiligen und verwässerten), Nagellackfarben und Fahrradfahrgewohnheiten. An gefährlichen Straßen darf ich nämlich mangels eines Radweges nicht mehr auf dem Bürgersteig fahren, bei dem ich dachte, er sei für mich da, ob mit oder ohne Rad. Nein, das ist jetzt eine Ordnungswidrigkeit. So als erwachsene Bürgerin geht das nicht mehr. Ommis aufm Kuhdamm erschrecken, das darf ebensowenig sein wie roter Nagellack und nackte Wampe. Etwas zum Läuten brauche ich auch dringend, "denn bei meinem zarten Organ könne es sein, dass ich nicht laut genug schreie." Und wie ich schreien kann! Aber ausnahmsweise lasse ich die Demonstration mal weg. Denn ich bin ja völlig gesunde Bürgerin, kein hysterisches Weib. Ich möchte schließlich wenigstens radschiebenderweise dem Untergrund würdig sein. Dabei dachte ich, ich wär so gut verkleidet mit Absatzstiefeln und Strickjacke. Aber der rote Schal fiel wohl auf.
Zum Glück gibt es neben der bürgerlichen noch meine private Realität und Identität, in der ich in einem kleinen Schwarzen mit weißer Perlenkette auf einer Zigarettenspitze rauche, den zornrotgeflammten Gedankenkater auf der Schulter. Da schlafe ich dank Schlafbrille den ganzen Tag und wache erst auf, wenn mein Schriftstellernachbar klingelt und bringe dann auch gleich den Wetterbericht nach Sing-Sing.
"Unser Status wird durch das solide Bauwerk unseres Milieus getragen, doch unser Gefühl der persönlichen Identität steckt häufig gerade in den Brüchen."
The one and only Versteher einer interagierenden Gesellschaft- Erving Goffmann.
Und Max Goldt schrieb schon in gewohnt leiser Qualität, früh zeige sich, wer das Talent zur grotesken Dame in Charlottenburg habe.

Rauhfaser

Wenn mir Dinge ganz wichtig sind, oder wenn sie einfach schön sind, über mein kleines, unverständliches Universum hinaus, wenn sie einfach gut passen, in eine melancholische Jugend, die eine ist, aber eigentlich keine sein darf, dann veröffentliche ich diese Dinge
hier .

Rauhfaser- das sind ein paar junge Literaten, die sich auf der Autorenplattform "Kein Verlag" gefunden haben. Wir sind ein poetischer, bildender, engagierter und verspielter Blog, glaube ich. In erster Linie schreiben wir, fotographieren wir und so. Das ist einfach das Produkt davon, wenn man macht, was einen drängt. Wir schreiben, über alles, was uns interessiert und illustrieren mit Worten, Musik und Bildern Schmerzen und Freude. Bitte seht doch ab und zu vorbei- es kommt da, ganz unabhängig, ohne Absprachen, eine feine Collage zusammen.

Ja, das ist Rauhfaser, a neverending Collage.

6. September 2010

Der Kater, der nie schnurrt

sondern immer gleich kratzt und beißt, heißt Gedankenkater. Vor ein paar Stunden riss mich der Anruf meiner Mutter aus dem Schlaf und ich stellte fest, ich hatte ihn mal wieder. Es ist schon schlimm genug, mit einem Alkoholkater und/oder einem Rauchkater im Bett zu telefonieren, der Gedankenkater aber toppt alles. Denn eigentlich möchte er ja nur gestreichelt werden, mit Tränen und emo dicht an ihn gekuschelt, damit er dann sanft vom Knie und aus dem Bett gepurzelt und den ganzen Tag mal metaphorische Katze metaphorische Katze sein gelassen werden kann. Aber er braucht eben für den Moment des Streichelns volle Aufmerksamkeit, keine Teilung durch ein Telephongespräch. Dann wird er, obwohl ausgedacht, wie jede Katze, launisch und kratzt noch viel mehr.
Bei einem Alkoholkater soll man entweder etwas Fettiges essen oder eine Bloody Mary trinken, bei einem Rauchkater am Besten viel unalkoholisches trinken und einfach eine Weile nicht mehr rauchen. Joggen gehen, wie ich gestern versuchte, gegen ihn anzukämpfen ist jedenfalls keine gute Idee, viel mehr wird einem die eigene, beschleunigte Sterblichkeit einmal deutlicher bewusst.
Doch wie vorgehen gegen den Gedankenkater? Sport treiben wäre hier wohl angebrachter, doch dafür fehlt mir die Zeit. Ihn in Bloody Mary zu ertränken wäre eine super Idee, aber dafür ist die Arbeit, die heute zu tun ist, zu kopflastig. Fettiges essen hatte ich ebenso in den letzten Tagen genug- aber der Gedanke daran gibt mir einen ganz guten Ansporn, es ähnlich wie beim Alkoholkater, in dem man mit Bloody Mary sanft den Alkohol durch Alkohol ersetzt, den man nicht so doll merkt, der den Kater aber betäubt, den armen, die schwerwiegenden Gedanken einfach durch andere, auch schädliche, aber etwas leichtere zu ersetzen:
-Oh, habe ich schon wieder um die Hüfte herum zugenommen?// Daran sind bestimmt nur die Popcornshrimps von Samstagabend schuld. Und das Bier und der Wein und die Vokü... Warum esse ich denn überhaupt Popcornshrimps? Das muss aufhören. Wenigstens war die Vokü vegan.// Oh, in acht Jahren und 12 Tagen werde ich 30. Muss ich ja noch ordentlich was tun, vorher. So Geld verdienen und Kinder kriegen und zu rauchen aufhören und damit, Pink zu mögen. Das geht ja gar nicht ab 30. Und exzessresistentfähig sollte ich wohl auch werden//Warum kann ich keine Quarktorte wie meine Oma backen?//Ist mein blaues Kleid wirklich zu gediegen für die Lesung?// Das sieht nuttig aus, nur so mit Strumpfhose? Oh, wie laufe ich denn durch die Nacht?//
Ach halt, dafür war das Gespräch mit meiner Mutter also da. Katze vom Bett, ich am Schreibtisch und gleich in der Bibliothek.

5. September 2010

Let's be human beings!

Ich mag Pink (die Farbe!). Zu meinen Lieblingsserien gehört "Gilmore Girls." Mein englischsprachiger Lieblingsschriftssteller ist J.D. Salinger. Meine deutschsprachigen Lieblingslyrikerinnen sind Ingeborg Bachmann und Mascha Kaléko. Ich weine, wenns mir emotional schlecht geht. Ich mochte als Kind die "Power Rangers" ebenso wie "Mila Superstar." Ich spielte gern mit Puppen und Matchbox-Autos. Letztere trug ich in einem Korb spazieren. Ich mag Bier und rauche nicht zu knapp. Ich mag roten Lippen- und schwarzen Kajalstift. Meine liebste Band ist Tocotronic, meine liebste Solokünstlerin Patti Smith. Ich studiere Germanistik und Soziologie, in ersterem ist meine Lieblingsdisziplin die Literaturwissenschaft, in letzterem die Geschlechtersoziologie. In Sprachwissenschaft und Statistik schneide ich dagegen nicht so gut ab. Meine Lieblingsfächer in der Schule waren Deutsch, Ethik, Englisch, Sozialkunde, Geschichte und Kunst. Nicht mochte ich Mathe, Sport, Werken, Physik und Chemie. Mein Lieblingscocktail ist Bloody Mary. Ich bin ganz schön unordentlich. Meine Haare trage ich kurz und mit Vorliebe leicht violett. Ich esse kein Fleisch. Ich mag Horrofilme nicht. Ich mochte in meiner Pubertät Science Fictionfilme und -serien und Horrorliteratur. Kurze Röcke bieten Bewegungsfreiheit und sehen schön an mir aus.
Ich könnte hier noch ganz lang eine beliebige Liste meiner einstigen und aktuellen Vorlieben fortsetzen, und nein, ich möchte mich nicht mal wieder egozentrisch selbst beschreiben. Ich frage mich im Gegenteil, liebe Leserschaft, was Sie sich bei diesen Sätzen dachten. Kann es sein, dass diejenigen, die mich nicht persönlich kennen, sich bei mindestens sieben Sätzen dachten: "Oh, typisch Frau!"? Diejenigen, die mich nur flüchtig und nicht in allen Lebenslagen kennen, bei mindestens drei Sätzen dachten "Oh, das hätte ich ja jetzt nicht von so nem zarten Mädel gedacht?" Menschen, die ich momentan in meinem nächsten Umkreis habe, wissen: Das alles sind Elemente, die genau mich ausmachen, ebenso wie mein leichter Dialekt und die Pigmentstörung neben meinem Mundwinkel. Keine Elemente, die mich zu einer typischen Frau machen und auch zu keiner untypischen. Wenn ich sage, ich bin eine "Queerfeministin", dann glauben sie es mir, weil sie wissen, dass ich, zur Verdeutlichung meiner geschlechterpolitischen Ansichten, diesen Begriff als Arbeitshypothese verwende.
Doch bei allen anderen, die mich nicht lesen, die sich auf einer Party flüchtig mit mir unterhalten, die mich auf der Straße streifen, nachts auf dem Weg zum Ausgehen, tags auf dem Weg zur Uni, zeigen sich bei der visuellen oder verbalen Wahrnehmung oben genannter Vorlieben oben genannte Reaktionen. Und nun kommt das Spannende daran: Lesen Sie sich noch einmal diese Sätze durch. Hat davon irgendeiner etwas mit Sex zu tun? Mit Penis oder Vagina? Mit Kinder kriegen und Samenergüssen? Ähhhh, nein! Und warum wird bei den meisten dieser Sätze dann sofort an Geschlecht gedacht? Dies zeigt doch nur wie tief tradierte und vorurteilsbehaftete Geschlechtervorstellungen in uns allen verankert sind. Warum nur, wenn mir die aufgeklärtesten Menschen doch sagen, Feminismus sei anachronistisch, denn Frauen und Männer sind frei, alles zu tun, was sie wollen, vor allem auf privater Ebene? Und ich solle ja Geschlecht dekonstruieren, wie ich wolle, der Unterschied, der bleibt, sei nun mal "Penis vs Vagina" und "Kinder kriegen vs Samenerguss.", das sei ganz natürlich und was wolle ich mit meiner "Gleichmacherei" denn erreichen? Männer und Frauen seien gleichberechtigt, wir sind ja alle keine Sexisten, nein, nein, und wenn, dann doch nur so zum Spaß.
Aber bleibt es wirklich nur bei dieser "natürlichen" Unterscheidung? Wenn mir schon keiner zuhört, wenn ich davon spreche, dass auch die Zuweisung des Geschlechts nach diesen Merkmalen durchaus kulturell variabel sein kann, so wäre es wenigstens o.k., wenn dies auch die einzige Assoziation zu "Du Frau-ich Mann" bleiben würde.
Es geht mir hier nicht um mich. Es geht mir um diese Assoziationen. Mir tut es nicht mehr weh, nicht mehr allzu sehr. Denn ich hab mir ein Schutzschild gebaut, gegen das Nicht-Ernst-genommen werden, als Mensch und vor allem beruflich. Gegen das wahr genommen werden als weich, weiblich, schwach, niedlich-verkorkst, verführerisch, verpeilt und das alles in Situationen, in denen dies keinesfalls positiv ist. Mein Schutzschild heißt Geschlechterdekonstruktion. Ich bin keine Frau, ich bin nicht gefangen in meiner Rolle als Frau, nicht nur mit meinen "weiblichen Fähigkeiten und Kompetenzen" allein gelassen. Ich bin ein Mensch, geboren mit einer Vulva, und damit hat sichs dann auch. Ich bin teilweise, ob bewusst oder unbewusst, weiblich sozialisiert wurden und ob mir das jetzt schmeckt oder nicht, ob ich in gewohnten Bahnen bleibe oder ausbreche, das liegt jetzt in meiner Hand. Nein, es geht mir nicht um mich, denn ich darf ziemlich viel, bis ich auf Irritation stoße, denn die Performance meiner Wahl, die ich täglich neu aus gefühlslagigen und ästhetischen Gründen wähle, ist zumeist das, was als weiblich gilt. Wie sehr dieser Anspruch an mich geltend gemacht wird, erfahre ich, wenn ich gefragt werde, warum ich mir die Haare ab und zu etwas radikal kurz abschneide, dass sei doch "unweiblich" oder warum ich keinen Push-Up BH trüge (geschweige denn ab und an überhaupt keinen). Aber nichtsdestotrotz, ich darf ziemlich viel. Außer behaupten, eine Queerfeministin zu sein. "Bist du lesbisch? Bisexuell? So siehst du doch gar nicht aus!" Das alles sind Lappalien? Nur eine weitere Identitätsversicherung?
Halt- um ehrlich zu sein, hier geht es mir doch um mich, auch, aber vor allem um die, die denn "so" aussehen. Wer nämlich "so" aussieht, oder viel mehr, nicht "so", so eindeutig, der hat nämlich nicht "so" einen weiten Spielraum, bis er auf Irritation stößt. (Und ich benutze hier gerade die "männliche" Form, als eine, umfassende Form! Der Einfachheit und Sprachästhetik halber. Die Erfahrung zeigt, Sprachgenderfanatiker haben zumeist rein gar nichts kapiert, fühlen sich aber unglaublich engagiert). Denn all dieser Alltagssexismus, all diese Mythen und "Selbstverständlichkeiten", wie eine Frau auszusehen hat, wie ein Mann, wie ein "Schwuler", wie eine "Lesbe", was "typisch Frau" sei, was "typisch Mann", welche Eigenschaften "stark-männlich" und welche "schwach-weiblich", all das ist ein widerlicher, gärender Nährboden für Vorurteile, die vielleicht nicht in der konkreten Situation, aber im daraus entstehendem, gesellschaftlichem Klima zu weit Schlimmerem führen, als Gelächter und persönliche, geistige Verletzung. Wer sich im Jugendjargon umhört, der wird feststellen, dass "schwul" als Schimpfwort gilt, ebenso wie "Du Mädchen!" und "Schlampe." Drei Beispielwörter, die schubladisierende Eigenschaften, aus dem Bereich Geschlecht und sexuelle Identität, negativ konnotieren und sich meist auf ein paar der Eigenschaften beziehen, mit denen meine einleitenden Sätze assoziiert werden. Menschen, die sich als "transgender" bezeichnen, die nicht eindeutig innerhalb der binären Geschlechtlichkeit wahrgenommen werden möchten, werden sowohl routinemäßig in Fragebögen (Oh ja, wir Soziologen, die es doch eigentlich besser wissen müssten, bilden da leider keine Ausnahme!) oder auch im Alltag qüalend damit konfrontiert, sie müssten ihr Kreuzchen links oder rechts setzen, Männlein oder Weiblein, eine erzwungene Entscheidung, die meist genauso unnötig traurig und lost macht, wie die Frage meines Englischlehrers zu Schulzeiten eine meiner besten Freundinnen:"What are you? Are you Asian? Or Polish? Or even German? How do you feel?" Dieser Vergleich scheint nun vielleicht nicht sofort verständlich, ich führe ihn aber sehr bewusst an: Passt das wirklich zusammen, auf der einen Seite "no nations - no borders" proklamieren und uns alle in erster Linie als Mensch zu sehen, auf der anderen Seite Grenzen auf der Ebene von Identität bereitwillig zu akzeptieren? Warum stößt Geschlechterdekonstruktion bei den aufgeklärtesten Menschen auf Gelächter und Unverständnis? Ist es denn nicht die logische Konsequenz einer Bedingung zur Menschlichkeit?
Und wem dies alles immer noch viel zu theoretisch erscheint, als die Ausgeburt des Hirns einer jungen Frau mit zu viel Zeit und zu wenig Herz und Weitblick für dringendere Probleme (tatsächlich sind viele Menschen trotz einer mindestens hundertjährigen Feminismusgeschichte noch nicht viel weiter als Herr Schopenhauer -http://aboq.org/schopenhauer/parerga2/weiber.htm-angelangt, ob nun in Worten und Taten, mal mehr oder weniger verschleiert, und derlei Behandlung hat mich teilweise schon so weit getrübt, dass ich mir an schlechten Tagen diese Beschreibung tatsächlich selbst zukommen lasse), dem muss ich die Dringlichkeit wohl einmal mehr bewusst machen. Gewaltsame Übergriffe auf Homosexuelle sind eine Folge von Vorurteilen gegenüber sexueller Identität. Mit dem Umgang einer nicht auf das Geschlecht und damit einhergehender heterosexueller Normativität sowie einer zwingenden Kategorisierung in die "wahren" sexuellen Vorlieben fokussierter Sichtweise hätten diese keine Grundlage mehr. Vergewaltigungen von Frauen passieren häufig als Ausdruck eines Machtverhältnisses, sie sind die Demonstration und Versicherung des Klischees der körperlichen Unterlegenheit und Passivität der Frau. Obwohl ich Gewalt ablehne, finde ich es aus diesen Gründen in der gegenwärtigen Situation super, dass ein als weiblich performierender Mensch aus meinem näheren Umkreis einen aufdringlichen Belästiger, der sich mit Worten nicht abschütteln ließ, schlug, tritt und aus dem Club werfen ließ. Ich wünsche mir nicht, dass so ein Verhalten nötig wäre- aber in einer Welt, in der über Mario Barth gelacht wird, in der Sexismus zwar allgegenwärtig, doch nichts Schlimmes, einfach nur zum Schmunzeln und Wiederfinden gedacht ist, in der gefragt wird, was eine Frau im Minirock, die vergewaltigt wurde, denn auch nachts allein auf der Straße mache, in der allein die Wahrnehmung weiblicher Performanz ohne männliche Begleitung Anlass für verbale und körperliche Belästigung gibt, in der Frauen bereitwillig lächeln, wenn man sagt, sie seien "süß" und "niedlich" und damit eigentlich gemeint ist, sie seien dumm, schwach oder tollpatschig, einfach nur aus dem Grund, weil sie die Infantilisierung, die eine Degradierung darstellt, schon so verinnerlicht haben, dass sie bereits glauben, es sei Teil ihrer "weiblichen Rolle", einer Welt, in der man argumentiert, dass Frauen weniger verdienen, sei darauf zurückzuführen, dass sie häufiger im Kultursektor arbeiten und dieser sei auf Grund geringerer Wichtigkeit für das gesellschaftliche Wohl niedriger zu bezahlen, in der Statistiken so ausgelegt werden, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in einem gewissen Alter noch einen Mann finden, geringer sei, als von einem Hai gebissen zu werden (Ist ja auch völlig logisch, dass man das statistisch auslegen kann! Wer einen Mann zum Lieben findet, heiratet natürlich, oder befindet sich zumindest in einer soliden Lebensgemeinschaft!) - in einer solchen Welt, tut mir leid, da ist es noch nötig, zurückzuschlagen. Oder im Falle der Autorin, zu wettern und zu zetern, sich aufzuregen und auszutoben. Oh, wie hysterisch ich doch bin! Man sollte mich schnell verheiraten. Das Leben ohne heteronormative Stabilität bringt mich in ganz verbohrte und unnatürliche Bahnen! Manchmal wachsen mir sogar schon Achselhaare!
Das alles sind ganz reale gesellschaftliche Schmerzen und Gefahren. Eine Emanzipation der Herzen, unabhängig von Kategorien ist also tatsächlich dringendst nötig. Mit Ignoranz wird über Do-it-yourself-Bewegungen und Popfeminismus gelächelt- und in der Tat, man muss keine Gebärmuttern stricken, um zu beweisen, dass weiblich konnotierte Tätigkeiten sich nicht mit engagiertem und klugem Handeln beißen müssen. Im Gegenteil, meiner Meinung nach führt diese Art des Feminismus eher dazu, dass die Bewegung, selbst wenn sie im größeren, queeren Kontext steht, schnell in die Ecke des in den Waldboden menstruierens oder gar fernab einer Emanzipation in den Eva-Hermann Mutterkultsektor geschmissen und zurecht belächelt und verachtet wird. Der Kern ist es jedoch, tun und lassen zu können, was man möchte, unabhängig vom Geschlecht, solange es anderen Menschen keinen Schaden anzurichtet. Und das kann Kuchen backen ebenso sein wie Stricken, Nähen, Malen, Informatik studieren, Bass spielen, Tische bauen. Eben queer sein, ohne zwangsläufig "so" auszusehen. Vor einigen Semestern definierte meine Kommilitonin in Geschlechtersoziologie den Begriff "queer" sehr schön, in dem sie ihn eindeutschte: "Etwas queren. Eine Grenze überqueren. Einen Menschen trennenden Fluss der Konvention." Leider schmiss eben diese Kommilitonin den Kurs, weil sie dachte, ihr fehlten Grundlagen. Dabei hat sie so schön verstanden, um was es geht.
Ebenso wie die Organisatoren des zweiten "Queer Punk Things", das gestern in der Köpi stattfand. Es gab Performances und Konzerte, eine engagierte, aber freundliche Stimmung in der Überquerung der Grenzen. Deutlicher als meine Worte macht meine Position vielleicht nochmal ein Auszug aus deren Manifest:
"The punk movement has become homophobic and conservative as "rules for being punk" have developed. Too often we see male punx ask their girlfriend to hold their jackets so that they can pogo.
Additionally, grappling with these standards, men feel obliged to act "punk" or "skin": being destructive and obnoxious, violent and sexist. They are obeying rules learned from typical hetero-patriarchal structures. We don't want to propagate this.
The gay community, too, has formed oppressive rules. Gay-Pride is an illusion that keeps us locked into roles and restrictive labels. We don't need dress codes, or to adhere to heterosexist, hierarchical norms. Break these rules!

Being queer or punk isn't about a fashion or about homosexuality. It's a way of living without conforming to society´s accepted norms. Queer is based on a sex-positive philosophy.
That means that everybody, regardless of gender or sexual orientation, is invited to get involved with us and celebrate their sexuality in the way they feel comfortable with. Fight against sexism and sexual oppression not sexuality!" (http://www.queerpunk.org/manifesto/)

Seximus zu bekämpfen ist ebenso ein wichtiges Anliegen, wie das Bekämpfen der Diskriminierung auf Grund von Vorurteilen gegenüber Ethnie, Hautfarbe und Herkunft. Und diese Diskriminierung findet statt, Tag für Tag. Und wenn es schon ein derart harter Kampf ist, eine Gleichberechtigung in der Arbeitswelt zu finden, so möget ihr doch bitte alles dafür tun, dies im Privaten durchzusetzen, in dem es keine allzu große Schwierigkeit darstellen sollte, wenn die Kurzblick- "das war schon immer so- also ist es auch natürlich" Brille nur ein weiteres Mal abgesetzt wird und wir uns als Menschen begegnen. Und Menschen, die dessen partout nicht willens sind, muss man bis dahin den Daumen beim Schubladen schließen eben gehörig einklemmen. Wehrt euch gegen Sexismus! Seid kein Teil davon! Und bitte ignoriert ihn auch nicht. Wir mögen alle ja so postmodern und sexy sein, doch leider reichen einige Vorstellungen über Geschlecht noch bis ins Mittelalter zurück. Und sie werden alltäglich manifestiert, in Werbung (mit Kinderstimme und Lippenstift liegt dir die Welt zu Füßen! Zumindest die des unbeschwerten und unverdienten Konsums und der Reduzierung auf dein künstlich-glänzendes Lächeln) und klischeebeladenen Filmen, vor allem der deutsche Massenfilm scheint da ja durchaus auf bereitwilliges Publikum zu treffen, siehe "Keinohrhasen", in dem auf eine ja so unheimlich einfühlsame, witzige und identifikationsfähige Weise das alte Märchen einmal mehr nacherzählt wird, Frauen können das ja nicht so gut, mit dem Trennen von Sexualität und Liebe. Was auch immer letzteres sein mag.
"Ich strahle Vertrauen aus und steh auf Sex"- so die biestige Protagonistin, gespielt von Sarah Michelle Gellar, in "Eiskalte Engel." Schon merkwürdig, dass das ein Gegensatz sein soll. Sollte es doch nicht, oder? Oder ist Sex etwa etwas Schmutziges, bei dem Männer den aktiven Part ausüben und die Olle allenfalls mitmachen, aber nicht selbst die Initiative ergreifen kann, es sei denn sie ist ein dämonisches, wildes Wesen. Böse, böse.
Positiver Sexismus ist, wenn Männer einer völlig rüstigen "Frau" die Tasche tragen wollen. Ein Freund von mir löste sein Verhältnis zu mir zwischen Gentleman und süffisantem Kritiker neulich in einer sehr charmanten Weise. Post-Einkaufsszene. Abschätziger Seitenblick. Ich frage irritiert: "Was sollte denn der Blick?" Er: "Ach, grad hab ich mich gefragt, ob ich dir was abnehmen soll. Aber jetzt seh ich, in der einen Hand Klopapier, in der anderen die Alditüte. Etwas Stilbewusstsein hab ich ja auch noch. Das trag mal lieber selbst." Das ist kleiner Alltagsgendertrouble, das gefällt mir.
Meine trunkene Weisheit auf einem Bierdeckel neulich: "Wie überzeugst du einen Chauvinisten von deiner geschlechterpolitischen Sicht? Schlaf mit ihm und melde dich danach nie wieder." Das ist böse. Sogar noch böser und weniger meinen diplomatischen Ansprüchen gerecht werdend als einen Mann zu verprügeln. Das alles wäre ja auch so schön unnötig, wenn ich in einer Welt des Respekts, des Zuhörens und der Offenheit leben würde. Ich würde so viel lieber gemeinsam queren, als mich hinter meinem Schutzschild der Queerfeministin und Geschlechterdekonstruktivistin zu verstecken. Doch momentan würden damit nicht nur ich, sondern auch meine Überzeugungen, unerkannt bleiben.
Let's be human beings- kann man über diese ernst gemeinte Einladung denn tatsächlich noch spotten?

3. September 2010

Wieder KeinGedicht.

Meine Box macht freudige Geräusche
so als empfänge mein Mobiltelephon Aktivität.
Aber da ist gar nix und das ist auch ganz o.k. so.
Einst schrieb ich mal,
ich glaub, es war ein anderes Leben,
"Schlucken über Einsamkeit"
und ausgerechnet das rühmt mich jetzt grad in k(l)einster Weise.

Über was schlucke ich jetzt?
Über einen Hammer,
der immer wieder niedersaust.
Mal selbst-, mal unverschuldet.
Und ich mag über Schuld gar nicht mehr nachdenken.
Ich schlucke nicht mehr.
Mir schwindelt eher-
und ich kotze gleich.

Nichtsdesotrotz
es geschah im Aldi-Nord.
Dass ich dort heute das erste Mal glücklich war
und das lag nicht ausschließlich an Birnen, Frischkäse, Tiefkühlgemüse, Schokolade, Multivitaminsaft und Klopapier,
die ich mir endlich wieder leisten kann.
Mein Gesicht, zuvor fast erfroren auf der Suche
im Tiefkühler
und auch sonst so,
wie das eben so ist
wenn Alkohol und viel Rauchen und so,
erhellte sich dann,
als die Ohren nebenan
eine Stimme vernahmen:
"Na, wieder zu Haus?"

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