30. Januar 2011

Irgendwo hatte ich hier mal noch Kopfhörer liegen...

Irgendwo hatte ich hier mal Kopfhörer liegen und irgendwann hatte ich hier mal Kopfhörer liegen und irgendwann hatte ich Dich geküsst und irgendwann hatte ich Dich umarmt und irgendwann irgendwo waren da mal die Töne und irgendwo dazwischen warst Du und Die Frequenz Deiner Schritte hab ich mal gespürt und das Dielenknarren und irgendwo hat das automatische Schreiben mal nie funktioniert und irgendwann hatten wir mal anders über Menschen gedacht und irgendwie war es mal unser Leben gewesen und nicht nur das geliehene und weißt Du, was das komische ist?
Als ich gestern in der Bahn lag, unter Deinem Fahrrad und zwischen den Türn, da hab ich noch über was anderes nachgedacht und als ich "digital" schreiben wollte, kam "analog" und als es ums Hirn dachte, schrieb ich dann doch ums Herz und ich war boshaft ohne Grund und ich war so stürmisch im Inneren und ich hab so gelächelt nach außen und ich find das komisch, dass das alles so kommt, dass man seinen Gefühlen traut und dann nicht mehr dem Verstand
und so
und irgendwo hatte ich hier mal noch Kopfhörer liegen.

25. Januar 2011

Es ist Dienstag.

Ein ureigenes Misstrauen gegen Dienstage hege ich seit frühester Kindheit. Ich kann das soweit zurückführen, dass es Kindergartensport gab, dienstags, und später Mathe und Werken, dienstags, und im Gymnasium sicher auch nochmal Sport, dienstags.
Meine von fremder Vorherbestimmung bislang unergründliche Konditionierung gegen Dienstage durch das Auffordern, Kopfstände zu machen, auf einem Bein zu stehen, und zur Strafe für Inkompetenz dessen von der Kindergärtnerin verarscht und gedemütigt zu werden, durch unkreative Textaufgaben und Metallbaukästen, Gymnastik- und Tanzklausuren, wurde gebrochen, als ich "See you next Tuesday" von Mikrofisch das erste Mal hörte und mit diesem Song das Unileben begann.
Was kann auch schöner sein, als zu glauben, man sähe jemanden am nächsten Dienstag wieder, egal, was passiere?
Und was mache ich heute, wenn der Song überhört ist, der Stundenplan nach 5 vergangenen Semestern natürlich ganz anders, Dienstage in Liebe und Hass und Verzweiflung vergangen, die Vorhersehung wieder Böses mit mir vor hat, mein Badezimmer schwemmt, mir Clubmate in der Bibliothek verbietet und dunkle Gedanken zulässt? Ich werfe mir meinen Künstlerponcho über und schreibe einen Blog, der unter dem Deckmäntelchen der Schicksalsschwangerheit und des Musiktipps simpel meine augenblickliche Unzufriedenheit zum Thema hat. Ich gebe zu, die Tarnung war ziemlich dürftig.

24. Januar 2011

Zwischen Turmleben und Zungenzirkulation

Rapunzel hatte entschieden, ihr Haar dem Prinzen nicht herunterzulassen. Ihr nützte es wesentlich mehr im Turmzimmer, wenn sie es abschnitt und in traurigen Wellen zu Boden tränen ließ und Brücken schlagen zwischen Stuhllehne und Kopf, die sich in regelmäßigen Abständen zu Brüchen wandelten. Denn ein h ist ein k mit Rundungen und nichts weiches liegt in den Brüchen. In Brücken schon, über Bäche und zwischen Menschen, aber wer weiß das schon nicht, dass das Weiche in den Brücken liegt und das Harte in den Brüchen, wenn die Brüche uns zwischenmenschlich erregen und in unserer eigenen Persönlichkeit doch auch. Manchmal nennen wir diese Erregung an uns selbst Gefühl der persönlichen Identität, und deshalb sind es doch immer die selben Leute, die uns an- und ausziehen, das Du und das Ich zum Beispiel.
Manchmal hat das Du eine kugelsichere Ich-Weste an, und es lächelt Dir zu und du freust Dich, das scheint Dir doch normaler, als vorm Spiegelbild oder auf dem Klo zu denken: Och, geil.

Ferner ist das Ich manchmal ein Du, wenn es sich auflöst und wir uns gleich mit. (Wo kommt denn dieses "wir" jetzt her?)
Gedankenlos zitiere ich beim Abwasch Améry und meine Mitbewohnerin sagt, ich kennte sie nicht das ganze Leben und das war später, nachdem sie mir heftig widersprach und meine Zunge im Ausguss zirkulierte. Ein Tropfen Blut über den Rand des frischgespülten Weinglases und den Artikel über Körperflüssigkeiten am Frühstückstisch.

Als es gerinnt, ist es rot und bräunlich, wie Rapunzels Haar, das sie in bedrohlicher Enerviertheit geschnitten hat. Im Bestreben nach einer Tätigkeit mit den Händen, ohne Herz und Kopf, wie sie rar in ihrem beengten und in die Höhe geschossenem Leben war, hatte sie es zu einem Strick geflochten und während sie ihn am Ende um den Hals legte und fest verknotete, stellte sie sich auf einen Stuhl. Ja, der Stuhl, über dessen Lehne zuvor noch durch das Haar die Brücke zwischen Mensch und Mobiliar geschlagen wurden war und der still in der Einsamkeit des Turmzimmers, welches seine Schönheit in nur im Licht sichtbaren Staubornamenten schüchtern feil bot, vor sich hin stand. Mit Blick auf die Turmstuckdecke, ergriff sie erneut die Schere und durchschnitt den rötlichen Knoten nahe ihres Kehlkopfes.
"Durch diese schöne Anstrengung mit sich selbst bekannt gemacht, hob sie sich plötzlich, wie an ihrer eigenen Hand, aus der ganzen Tiefe, in welche das Schicksal sie herabgestürzt hatte, empor.", so hatte es Kleists Marquise von O. gemacht und so schmiss Rapunzel ihren Strick Haar aus dem Fenster und seilte sich daran auf den Boden hinab. Darüber nachdenkend, welcher Name für einen Herrschaftsbereich passend war, der weder Matriarchat noch Patriarchat sein sollte, ging sie fort in die Stadt und bewohnte fortan Plattenbauten in der ersten Etage.

18. Januar 2011

F(h)as(s)t Du (D)eine Hommage

Für die.


Für die, die am Bahnsteig nicht still stehen können.
Für die, die aus der Schauspielschule flogen.
Für die, die auf und ab wandern müssen.
Für die, die, eh, die haben schon Kieferschmerzen von den engen Kopfhörern.
Für die, die, mit den großen Köpfen und dem kleinen, ähm, dem großen Minderwertigkeitskomplex.
Für die, die Hypochondrie.
Für die, die Selbstbewusstsein haben, ohne Dünkel.
Für die, die Celan lesen und Sarah Kane,
und dann Adorno und trotzdem noch Lyrik.
Für die, die.


Für die, die tanzen gehen,
für die, die yeay "is it getting better, or do you feel the same".
Für die, die auf zwei S-Bahnreihen schlafen.
Für die, die furzen.
Für die, die Liebe brauchen, wie Kinski,
und für die, die ihn nicht verstehen.
Für die, die Salinger gelesen haben,
und jetzt Miller und Ginsberg und Kerouac
und für die Graphic Novel Bible und für Art Spiegelman.
Für das dänische Comik, das Mosaik,
und für die, die.

Für die Bilder an unseren Wänden,
für die, die Post-Its Klebstoff unter den Fingernägeln haben.
Für die letzte Seite und für die,
die das Vorwort überspringen
und für die, die das Nachwort rausreißen.
Für Regina und Undine.
Für die, die ihre eigenen Gebete schreiben und für die,
die in Schweigen schlafen und für die, die wach liegen
und nachts myokardinieren.
Für die, die kaputt sind, aber nur ein bisschen.
Für Mascha, für Else, für Ingeborg.

Für die, die das alles so ernst nehmen,
für die, die des Wahnsinns lachen und lächeln,
für die,
die lächeln für die Kamera.
Für Evelyn, für Amanda, für die Literaturwissenschaft und die Soziologie,
für Goffman, für Luhmann, für dich.
Für die, die nicht aufhören wenn es im Treppenhaus schon nach Eintopf stinkt.
Für die, die.

6. Januar 2011

You can leave your shoes on.

Es ist hart, um 6:00 morgens aufzustehen. Dies ist wohl einer der wenigen Sätze in diesem Blog, der völlig frei von Neologismen Zustimmung heischt. Noch härter ist dies im Dunkeln. Oder wenn es kalt ist.
Seit dem Oktober 2010 ist es aber durchaus spannender als auf dem Klo Stephen King zu lesen und so nehme ich ganz ohne Anwesenheitsliste bisweilen diese Hürde auf mich, um im Proseminar "Einführung in die Sozialstrukturanalyse" Platz zu nehmen. Ich bin Zuschauerin eines nicht enden wollenden unisono Dialogs von gegelten Spiegellesern und gepiercten Winterschuhauszieher- und auf dem StuhlräklerInnen. Was auf den ersten Blick wie eine unfundierte, repetitive Debatte um Migration, Chancengleichheit und Kapitalverteilung anmutet, ist in Wahrheit eine gut inszenierte Wachwerdcomedy. Kaum bin ich bei unqualifizierten Bemerkungen zum Thema Wirtschaftswachstum und der 10.Jubiläum feiernden Feststellung, dass wir SoziologInnen uns zukunftswärts in ein paar Jahren Taxi fahrend oder Tätigkeiten, zu denen des Schreibens mächtige 4. Klässler qualifizierter seien als wir, ausübend, wiederfänden, beinahe eingeschlafen (träumend, wie ich eine Auszeichnung als beste Suizidsassistentin, Abteilung Autounfall, erhalte), reißt mich ein spannender Umbruch in der Debatte mitten ins Geschehen: Facebook alles Illusion? Nur gelangweilte Soziopathen am Werk? Die Medien sollen kontrolliert werden? Statistikpflicht im Politikteil der Bildzeitung?
Irgendwie habe ich die Extremisierung von Mädchen in Hippieröcken und Wollsocken verpasst. Ich lächle, vermeintlich veträumt, eine von Ihnen an. Über ihr komödiantisches Potential sinnend, denke ich: Bei so viel kulturellem Kapital, musst Du Dir über dein ökonomisches doch keine Gedanken machen, Baby.

5. Januar 2011

Das Herz ist mir schon so ein ungünstiges Organ.

Das Herz ist mir schon so ein ungünstiges Organ. Um ökonomische Entscheidungen zu treffen, hat mir jemand gesagt. Aha, dachte ich unbestimmt und las auf dem Klo Stephen Kings "Friedhof der Kuscheltiere", in einer cheapy Taschenbuchausgabe, in den 90ern nicht von mir gekauft, die damals 9.80 DM gekostet haben muss. Nichts ist so beständig wie aufgedruckte Preisschilder von ungeschenkten Büchern.
Wie geht es Ihnen, wenn ich nicht von Jalousien erzähle, die herunterklappen, beim Vorübergehen? Nicht von emotionaler Großverwirrung, bei der ich vor brennenden Mülltonnen stehe und, die Kippe lässig rauchend, plane, diese ins Benzin zu werfen? Wenn der Wind nicht meine Haare verweht, das Meer riecht, die Nacht stinkt und der Tag mir zur Begrüßung die Drehtür ins Gesicht schlägt?
"Du sagst, es zählt ein andrer Geist auf ihn ...
Erklär mir nichts. Ich seh den Salamander
durch jedes Feuer gehen.
Kein Schauer jagt ihn, und es schmerzt ihn nichts."(Ingeborg Bachmann- Erklär mir, Liebe.)
Wenn nichts weh tut und der größte Adrenalinschub entsteht, wenn ich aufschrecke, weil ein Krankenwagen an meinem Fenster vorbeifährt oder ich vom Sex mit einer längst verjährten, beidseitig gescheiterten Liebschaft träume, mit "Nothing compares to you" dazu im Hintergrund. Ich öffne das Fenster weit, es ist ein schönes Fenster. Getautes Eis tropft auf meine müden Augen, ich trinke Kaffee mit zwei Dritteln Vanillemilch. Schreibe ich, um zu existieren? Existiere ich, um zu schreiben? Ein bisschen von beidem wohl.
"So this is the new year.
And i don't feel any different." (Death Cab For Cutie)
Oder doch?

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