13. April 2012

Aprilwetter

Und es war ein Montag oder so gewesen, da war sie zum Abendessen eingeladen, bei einer Bekannten. Es wurde, wie diese sagte, „abstraktes“ aufgetischt: Eier, Tomaten, Brot und Alkohol in Pulverform, der eine enorm starke Wirkung hatte. Da hatte die Bekannte gesagt, sie würde gern alles gleichzeitig tun: Trinken und rauchen und essen, obwohl es sich eigentlich widersprach und sie folgte diesem Ratschlag, obwohl sie gar keine Lust hatte. Sie fühlte:alles und sie aß: alles und sie schmeckte:alles. Und sie dachte dabei:nichts. Zwei Jahre später, es war genau ein Dienstag gewesen, war ihr auf dem Balkon Wein und Tabak, Schokolade und Pasta aufgetischt; man erwartete, sie würde essen, sie würde trinken, sie würde rauchen, sie würde sich Süßes auf der Zunge zergehen lassen; und es war dieser Dienstag, da hatte sie großen Appetit auf alles, und fühlte:nichts, und da begann sie von allein, alles durcheinander zu konsumieren: sie rauchte, sie aß, sie trank, sie ließ sich Süßes auf der Zunge zergehen. Sie katalogisierte ihre Gefühle, sie registrierte:“abstrakt.“ Und weil sie also so nicht konnte: „konkret“, bei einer Kippe ihre Probleme besprechen, alles einzeln, schön der Reihe nach, wollte sie alles zusammen:Trauern und Lieben, Überwinden und Fühlen. Leben und vernünftig sein, alles, was sich widersprach. Und als ihr das dann passierte, da war es so gewesen, sie fühlte: alles. Und dachte:nichts. Und er hatte keine Lust und machte:mit.

12. April 2012

Heimweh nach der Naivität

(Make up your own Mittwochslied!)

Ich nahm mir damals ein Herz und den Nachtbus,
und zwischendurch zwei Füße, die mich dankbar trugen.
Ich hatte damals noch nicht viel gelernt,
Und ahnte dennoch schon Heimweh nach der Naivität.

Ich finde keine Hüte, keine Tücher mehr,
kein fremdes Leben, keine Maskerade.
Nichts steht mir, nichts trägt mich, ich trag mich selbst nich,
Bin nicht pragmatisch und hab das Träumen
trotzdem verlernt.
Was soll das?

Es gibt kein wahres Ich
und keine Trennung von der Prägung.
Nur das Herz, das klobig im Hals und dazwischen schlägt,
mir vor die Füße fällt und ich da rüber.

Ich bild mir ein, mein Gesicht ist trotzdem versteckt,
Ich blinzel Dich an, immer noch verschreckt,
nehm ich mich selbst in den Arm.

Ich such, ich such doch immer noch nach mir,
hab mich nicht gefunden, hab nur eine Ahnung.
In meine alten Fußstapfen tret ich,
wenn sie mir grad mal vorm Bett bereit stehen.

Wenn das Meer am Fenster schwindet,
und der alte Penner Pathos mein Pyjamateil
bepinkelt,
wenn die alte Sau, die Sehnsucht,
meine satirische Seite stimmt,
kann ich' s nicht lassen,
und kann ich' s nicht fassen,
dass ich mir Tatsache immer noch wünsch,
jemand hier hätte mich mehr gekannt.

Nun hab ich angefangen, Lieder zu schreiben,
so, wie eigentlich alles schon mal begann,
und ich treff keinen Ton, und fang selbst an zu leiden,
weil ich doch immer noch nicht singen kann.

(u.s.w. Wenn Du anfängst zu weinen, ist es leicht, noch Strophen dazu zu erfinden)

7. April 2012

Die Tretboote in unseren Köpfen.

Kreative Menschen brauchen länger, um Dinge zu verstehen. Daher benötigen sie oft mehr Zeit für ihr Studium. Ständig räkelt sich die nächste Assoziation im Kopf, und keine Arbeit wird fertig.

Ich hab das gelesen, neulich, und eigentlich bin ich mir nicht sicher, ob ich mich da einordnen darf, oder ob ich einfach zerstreut, abgelenkt oder verantwortungslos-verwöhnt bin, aber grad tröst ich mich mal damit, wenn ich mitten in einem Satz meiner B.A. steckend, diesen Post beginne.

Die Rösinger hat ein zweites Buch geschrieben, "Es heißt Liebe wird oft überbewertet", es nennt sich im Untertitel "Ein Sachbuch" und es ist ein bisschen Populärsoziologie gemischt mit charmanten Tagebucheinträgen, es ist teilweise völliger Blödsinn, unwissenschaftlich, und trotzdem nicht witzig genug für Satire, aber all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vor allem eins ist:liebevoll.

Und so scheint es mir, dass die Rösinger selbst a bissel zu kreativ ist, neben dem Lesen textete,feiern ging, aber ganz sicher auch liebte, denn sonst kann man nicht so über die Liebe schreiben.

Einem Mitglied der Zielgruppe halb-freiwilliger Singles wie mir, wird tatsächlich auch sehr warm ums Herz, nach dem Lesen, da werden ein paar schöne Gedanken bestätigt, zum Beispiel, dass der Freundschaft ein höherer Wert beigemessen werden sollte, alternativen Haushalts- und Lebensentwürfen wie der WG-Familie, gesellschaftlich, damit man es auch innen drucklos fühlen darf. Da amüsiert man sich und weint und ärgert sich bisschen, wenn sie es tatsächlich wagt, den Trauerschwan Petra und ihre Liebe zum Plastiktretboot mit dem "Faible für Idioten" zu vergleichen, bei denen frau eine Regung des Windes als Signal der Zuwendung annehmen kann.

Aber ich finds schade, dass ich frau schreiben muss, denn das Buch ist ganz schön hetero-normativ. Und hier überwiegt dann das Tage- über das Sachbuch, und ich frage mich, ob es nicht schöner gewesen wäre, wenn nicht mehr Leute das Gefühl nach dem Buch gehabt hätten, welches ich habe.

Ähnlich wie nach meinem ersten Abend in der von der Autorin monatlich veranstalteten Gala-Reihe "Flittchenbar", ein Gefühl einer Zugehörigkeit, die ich in Berlin so ehrlich und unschämenswert nirgends fand, sagt das Buch mit jeder Seite: Du bist eigentlich voll o.k. Es sagt Dinge, die Dir Deine Freunde seit Jahren versuchen zu sagen, mit dem Unterschied, dass Autorin und Buch nicht in einer RZB stecken, so dass sich Ich nicht ständig denkt: Ja, ja!

Und trotzdem, immerzu fragt Bachmann in mir: "Erklär mir, Liebe, was ich nicht erklären kann: Soll ich die kurze schauerliche Zeit nur mit Gedanken Umgang haben, und allein nichts Liebes kennen und nichts Liebes tun? Muß einer denken? Wird er nicht vermisst?"

Und so gerne ich mir selbst antworten würde, natürlich nicht, "Du hast genug Sinnlichkeit im Leben und FreundInnen!", so sehr weiß etwas in mir, dass hier etwas anderes gemeint und gefühlt wird.

"Liebe wird oft überbewertet" wäre ein feiner Selbsthilferatgeber, würde er im letzten Kapitel nicht etwas zu knapp auf das trotz aller Vernunft und Nicht-Normativität bleibende Bedürfnis nach einem "special someone" mit einem winzigen Exkurs über Polyamory mit der nicht ganz zu glaubenden Phrase enden, das gäbe sich alles, wenn man sich genügend Gefühle im restlichen Umkreis erlaube. Im Grunde hätte ich dagegen nichts einzuwenden, wenn da nicht dieser nervige Umstand wäre, dass Freundschaft nur in sozialer INTERaktion möglich ist. Und wen kann man schon zwingen, mehr Liebe in der Freundschaft zu sehen? Und wie sehr sie auch Recht hat, dass RZBs in der Regel langweilig sind, krank machen, unglücklich und im Gegensatz zu Freundschaften schneller enden, bedeutet das nicht, dass die Liebesbeziehung nur mit sich selbst nicht auch oft unbefriedigend, langweilig, und krank machend sein kann. Wie alles. Und wenn wenigstens die Sehnsucht bleibt, die vielleicht noch weder Gegenstand noch Namen trägt, hat diese eigentlich schrecklich-banale Beziehungskiste noch einen edleren Glanz. Find ich jetzt gerade. Morgen wahrscheinlich wieder nich mehr. Vielleicht ist das tatsächlich alles eine Sache der Normen und meinen vollen Respekt und Zustimmung, das Christiane Rösinger durch die Erziehung des Herzens diesen zu trotzen wagt. Und doch, ich halte mich fast lieber an die Worte meiner ersten Gender-Dozentin:
Ja, die Liebe ist ein soziales Konstrukt. Aber ich find sie trotzdem toll.

Zwei Gläser

Glas Wein und Glas Wasser,
dazwischen tippe ich diese Zeilen.
Ein schlechter Empfang am Telefon, ein Herzrutschgeräusch,
ein Zucken, ein Auto, ein Störungsgewimmer.
Ich vernehme es hölzern,
erstarre nicht.

Nur noch einmal, einmal noch möcht ich rückwärts
sehen.
Die Steine in die Schale legen,
wo sie auch ohne mein Zutun schwer liegen,
und sie in Folge nach unten durchbiegen.

Einmal noch möcht ich klare Worte finden,
und dem Schmerz die Zigarettenlänge gönnen.

Einmal noch dem Wein seine Stunde schenken,
und das Wasser, halb voll im Glas,
zu seiner Zeit trinken.

5. April 2012

Das Internet ist mein Pony, der Kosmos mein richtiges Pferd!

Ich führe eine doppelte Existenz im Internet, sie heißt mal bookishasearlgrey, mal sommer hier, mal nachtmar, schreibt für mich Gedichte, Prosa, Essays und manchmal sogar Tagebuch und entwickelt sich zu einer selbstlaufenden, zweiten Realität, der meine FreundInnen manchmal mehr glauben schenken als der Regine Glaß aus Fleisch und Blut. Ich schreibe gefühlvollere E-Mails, als mein Herz mir zu fühlen erlaubt und halte manche Pointen im Leben zurück, um sie auf Facebookpinnwände der Betreffenden zu verewigen. Ich euphoriere im Klappentext zu meiner Internetseite über die Autonomie digitaler Literatur und bin Mitglied in einem literarischen Teamblog. Meinen Backkatalog an Texten aus den letzten drei Jahren kann man samt und sonders bei keinVerlag durchblättern, auf myspace liegen auch noch ein paar Jugendsünden, und meine zeitgenössische deutsche Lieblingskünstlerin heißt Lena Knaudt, deren Literatur, Bilder und Filme ich zu Hause nur über ihre Website, ihren youtubechannel und keinVerlag rezepiere. Ich spreche eigene und fremde Texte als Hörstücke ein und stelle sie auf meinen oder den Seiten von Freunden online.

Und trotz all dem würde ich mich niemals als einen digitale bohéme bezeichnen.
Die ehrliche Wahrheit ist: Ich veröffentliche doch nur im Internet, weil ich mich noch nicht reif genug für einen Verlag fühle und trotzdem an Geltungssucht leide, und möchte, dass jemand meinen Rotz liest. In E-Mails kann ich mich von der besten Seite zeigen, ohne an meine Körperhaltung zu denken. Manche Witze und Bemerkungen erscheinen mir zu geistreich, als dass ich sie einfach dem Pöbel anvertraue, das heißt den FreundInnen und Bekannten, ich möchte, dass sie noch für mehr Menschen sichtbar sind, damit sie überhaupt wirklich gewertschätzt werden. Würde es einen Markt für Lyrikanthologien geben, der nicht auf Kosten der AutorInnen geht, würde ich all meine Freizeit in das Herumschicken von Manuskripten investieren. Ich bin zu faul, meine Texte ordentlich zu archivieren und überhaupt Sicherungen meiner Festplatte vorzunehmen. Meist schreibe ich die Texte spontan einfach ins Artikelformular des jeweiligen Blogs. Ich kriegs nicht hin, mein myspaceprofil zu löschen (obwohl da auch steht: more to love!, hihi). Lena Knaudt versüßt mir kostenlos jede Mußestunde, aber ich wünsche ihr nichts sehnlicher, als einen Verlag, einen Job in der Filmbranche oder eine Ausstellung. Ich fände es furchtbar, wenn die Welt nicht von ihr erfährt. Seit ich aus der Literaturbühne geschmissen wurde und die Berliner Lesebühnen mich nicht überzeugen, vermisse ich jede Gelegenheit, meine eigene Stimme zu hören.
Empfehlungen, Favorisierungen, Daumen nach oben und liebe Kommentare retten mir manchen Tag, aber wisst ihr, was mich wirklich glücklich gemacht hat? Mein erstes Gedicht gedruckt zu sehen und für meine erste Rezension im Missy Mag bezahlt worden zu sein! Meine erste, eigene Lesung! Mich zum Literatursalon mit meinen FreundInnen zu treffen und uns Sachen vorzulesen und zu kritisieren! Wie altmodisch! Und wie berechnend!

Nein, ich bin kein Digitale bohéme aus Leidenschaft, sorry, das war gelogen! Ich bin jemand, die wirklich gerne Schriftstellerin ist, ob haupt- oder nebenberuflich, und die nicht vom Land in die Stadt gezogen ist, um sich hier nur virtuell zu vernetzen! Nur ist das kulturelle Leben in Berlin nun manchmal angesichts der Ausmaße des gigantischen Potentials unterirdisch und die zugehörigen Menschen nerven und klüngeln. Da zieht man sich ins Netz zurück und macht vielleicht alles nur noch schlimmer. Womit ich nicht sagen möchte, dass ich dies nicht ändern möchte. Nur: Ich sehe es eben auch als Möglichkeit, ich könnte zu schlecht, zu faul, zu verzettelt, zu feige sein, für Print und Bühne sein, anstatt die digitale Welt als dankbare Spielfläche zu vergöttern. Und es einen Zustand zu finden, dass viele begabte Menschen für lau arbeiten, weil sie nicht genügend Selbstvertrauen zur ständigen Selbstvermarktung haben. Ich würde mich jedem Lektorat anvertrauen, das mir hilft, meinen Roman zu veröffentlichen. Und kennte ich die richtigen Leute und Orte, ich gründete sofort ein Kaberett, eine Lesebühne, und erneut meine eigene Zeitung. Woher kommt diese plötzliche Real-Life-Versessenheit? Vielleicht taugt mal wieder die all-round-Antwort: I'm getting too old for this shit.

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