14. Oktober 2010

Schickes Ding, das Schicksal

Ja, ich handle dann und wann etwas abergläubisch. Ich steh drauf, durch Hühnergötter in die Sonne zu gucken und dabei einen stillen Wunsch zu äußern. Ebenso, wenn ich eine Wimper finde, sie küsse und über die linke Schulter werfe. Erhalte ich ein Geburtstagsgeschenk vorher, warte ich genau bis 0:00, um es zu öffnen. Jedoch zähle ich diese Angewohnheiten eher zu meinen zahlreichen Neurosen, als dass ich sie zu aberreligiösen Gefühlen hochstilisiere. Sagen Leute mir so etwas wie "Nichts im Leben geschieht ohne Grund" so bin ich dennoch in Betrachtung der Erfahrungswelt fast geneigt, dies zu glauben.
Jedoch, ich erhebe hier den Zeigefinger und betone: Nicht auf Grund von Schicksalsergebenheit. Fatalistischer Quatsch ist diese Aussage, wenn man wirklich blind darauf vertraut, eine höhere Macht steuere unsere Geschicke. Hieße das, wir könnten uns nun gemütlich zurücklehnen und abwarten, dass etwas geschieht, denn es geschieht ja nicht ohne Grund? Ich glaube, so mancher säße dann in seinem Heimatdörfchen und drehe Däumchen, während das Leben in Höhen und Tiefen, oder auch langweilender Flachheit an ihm vorüberzieht. Oder um einiges grausamer: Welcher Hohn ist dies für Diktaturen, Kriege, Seuchen, kurz all das wirklich verzweifelnd machende Leid? Was müssten unzählige denn ertragen, damit einigen dann etwas "mit Grund" widerfährt?
Nein, ich finde diese Schicksalsergebenheit, die sich durchaus auch in Kreisen agnostischer, ansonsten recht aufgeklärter Zeitgenossen rege wieder findet, persönlich ziemlich menschheitspessimistisch. Wenn wirs nicht richten können, dann tuts schon jemand anders für uns. Oder auch, wenn wirs versaut haben, dann ist eben jemand anderes schuld. Ich musste schon Häuser, Viertel und Songs, gar Personen vor dieser Beschuldigung, das Unglück anzuziehen, in Schutz nehmen.
Ich glaube fest an das sartresche und amérysche Engagement des Menschen. Wer mit der Welt in Verbindung tritt, sich ihr verpflichtet und in ihr aktiv handelt, nur dem passiert sie und ihm passieren Dinge in ihr. Nur so kann der geschichtliche Lauf der Dinge Stocken gemacht werden, wenn nötig, nur so widerfährt mir Lebendigkeit und ich kann mit von Lethargie, Aberglaube und Abgeklärtheit emanzipiertem Herzen zum Guten handeln. Das mag sich genauso naiv anhören, wie der oben beschriebene Schicksalsglaube, jedoch, kann es naiv sein, an Möglichkeiten zu glauben?
Und doch: "Nichts im Leben passiert ohne Grund", in dem einfachen Sinne, dass unser Unbewusstsein uns manchmal etwas augenscheinlich Falsches tun lässt, dass unseren wahren Wünschen zuträglicher ist, als etwas, womit wir uns gerade bewusst agierend beschäftigen. Verlieren wir etwas oder jemanden, was oder der uns wichtig ist, und widerfährt uns danach dennoch Gutes, dann wohl vor allem deshalb, weil wir stark sind und uns etwas anderes suchen, um glücklich zu sein. Diese Suche kann sich recht wenig offensichtlich vollziehen, so dass es scheinen mag, uns hätte das Schicksal die Bälle einfach zugeworfen. Nein, wir sind vorher gefallen, weil das zum Leben auf Grund des ihm inne wohnenden Learning by Doing- Prinzips mitunter dazu gehört. Wir sind aufgestanden, weil wir leben wollen. Wir haben uns engagiert, weil uns etwas passieren soll.
Und Zufälle gibt es ja auch noch, einige von ihnen können durchaus lustig sein. Und spannend an ihnen ist, dass es Zufälle sind, die uns wie der Name schon sagt, hin und wieder einfach zu fallen, weil das Leben ein großes Tetris ist, bei dem auch dem unaufmerksamen Spieler ein paar Steine in die Löcher passen können. Wäre es tatsächlich der große Plan des Schicksals, nimmt ihnen das dann nicht den Reiz des Besonderen, der Zufälligkeit eben?
Es kann richtig scheiße ausgehen für gute Menschen und toll für böse, weil diese Unterscheidung wohl kaum die Komplexität der menschlichen Seele erfasst. Wenn ich eben vom Guten sprach, so meine ich damit nicht ein "Gutes", ich sehe es als Sammelbegriff der Dinge, die ein kritischer, warmer und allumfassend lebensfreundlicher Geist zu vollbringen im Stande ist. Doch engagiert sein hilft diesem Prozess enorm. Jedenfalls mehr als der Dinge zu harren, in Trauer noch an die Belohnung all des Schmerzes zu denken, erneut verlassen die eigene Aura zu verteufeln, anstatt mit Hilfe der detailierten Selbstkritik Potential zu schöpfen, oder auch auf das Lichtlein von irgendwoher zu hoffen. Ist bequemer so. Vielleicht auch hoffnungsvoller, denn realistisch betrachtet: Es kann auch alles scheiße laufen und bleiben.
Ich jedenfalls kann gerade keine Hühnergötter am Meer suchen, mein Geburtstag ist vorbei und fürs Wimpernküssen werde ich wie für so vieles, langsam zu alt. Drum zünd ich meine Zigarette in der Kerze an, woraufhin keinesfalls ein Seemann stirbt, dafür bin ich viel zu sehr innere Seemannsbraut, und rauche und schreibe weiter.

1 Kommentar:

  1. Das klingt und ist nicht naiv, sondern tief und warm und wahr. Danke für diesen Text!

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