15. Juli 2011

Sommeranbruch

Alte Fotos aus Amsterdam.
Ich lebe im Frühling
und bin stets glücklich
im Grund.

Sommer bricht mit seiner viel zu großen Wucht an Hitze, Reife, Schönheit
sein Laubdach
über mich.

Und ich kann nur eines Weges fliehen:
Ins Wasser.

Sommeranfang,
Du bist ein - anbruch.
Ein Einbruch
Ein Aus- Dein Leben wird auch nicht interessanter, wenn Du es in Zeilen brichst.

13. Juli 2011

Die fabelhafte Welt der Glücksenteignung.

Warum, was ich schreibe, so oft so traurig ist?
Weil ich einer Theorie anhänge, nach welcher Schreiben als Ausdruck eines Individuums immer subjektiv und somit gesellschaftlich geprägt ist. Die Darstellung von Schmerzen und des Scheiterns ist also auch ein Aufzeigen von gesellschaftlichen Leiden.
Und dann traue ich mich nicht, etwas glückliches zu schreiben, weil ich dann eine Bejahung eines Zustandes darstelle, den ich nicht bejahe?

Ich glaube, ganz so ehrenwert ist das nicht.
Es gibt wohl auch ästhetische Gründe.

"Es sind die kleinen Dinge, die das Leben ausmachen."

Wegen Sätzen wie diesem, die in mir mittlerweile einen Brechreiz erzeugen, kann ich nicht über etwas schreiben, was mich glücklich macht. Und irgendwie auch, seit "Die fabelhafte Welt der Amelie", obwohl ich den Film sehr mag.
Wird das individuelle Glück, wenn es inflationär in die Welt getratscht und durch "Ja, genauso!" vom Rezipienten empfunden wird, mir enteignet und zum Allgemeinwohl erklärt?

Glücklich macht es mich, am See schwimmen zu gehen, durch den Wald zu laufen und nicht die Stadtgeräusche, sondern die der Natur und von glücklichen, ausgelassenen Menschen am See zu hören.
Glücklich macht es mich, meine Sachen, während ich schwimmen gehe, einem hübschen Mädchen, das gerade Hannah Arendt liest, anzuvertrauen und danach meinen Besitz wieder zu erhalten.
Glücklich macht es mich, nach dieser schönen Anstrengung ins Bett zu fallen. Mal wirklich müde zu sein und nicht einfach überlastet.
Glücklich macht es mich, ausgeschlafen in der Bahn zu sitzen und endlich mal wieder Lust zu haben, Foucault zu lesen.
Glücklich macht es mich, in der Bahn Foucault zu lesen.
Glücklich macht es mich, im Sprachwissenschaftsseminar fachfremde Texte zu lesen. Foucault zum Beispiel.

Und dieses Glück ist nicht nur durch seine Nennung und mögliche Identifizierung beim Leser nicht mehr mein Glück, sondern in dem ich durch das Lesen fest stelle, dass möglicherweise schon von vornherein nicht so viel individuelle, sondern viel mehr habitusgeprägte Glückvorstellungen hineinspielen. Oder nicht?

Und wieso ist das beim Leid so anders? Vermutlich gehe ich davon aus, dass so mancher/m geholfen wird, liest er/sie etwas und erkennt sich wieder. Erkennt wieder, dass nicht unbedingt individuell etwas nicht stimmen muss, dass es durchaus auch Struktur ist, die nicht stimmt. Aber was, wenn das Leid absolut außerhalb dieser Struktur liegt, und sich der/diejenige denkt, was sind das bloß für Probleme?

Lieber schreibe ich, was mir nicht gefällt. Erwachsene, kluge Frauen, die um 3 Uhr morgens mit ihrem Freund in der Bahn sitzen und mit hoher Stimme sagen: "Ich hab Hunger."
Und als er dann erwidert: "Ich weiß nicht, ob wir was vegetarisches für Dich kriegen."
Sie so: "Ich will zu Mustafas Gemüsekebab".
Er so: "Der hat doch nicht mehr offen".
Sie duckt sich, reißt die Augen weit auf sagt mit noch erhobenerer Stimme: "In meiner Welt hat Mustafas Gemüsekebab immer offen!" Er streicht ihr über den Kopf, lacht, wie man ein drolliges Kind auslacht, ohne, dass es es merkt, sie küssen sich.
Das gefällt mir nicht.

8. Juli 2011

Die Akkumulation des Wahnsinns

Heute fand an der Universität Potsdam eine Diskussion zum Thema Studiengebühren statt. Also nein, eigentlich war es eine Diskussion zum Thema Studienkonten. Nein. Eine Diskussion zum Thema "Bildung als Menschenrecht."

Anlass: 52 Millionen Einsparungen in der Bildung und Wissenschaft in Brandenburg. Antwort des Uni-Präsidenten: Man müsse sich vom Dogma der kostenfreien Bildung befreien.
Und man sind die Studierenden und die dogmabefreite Bildung erfolge auf Zeit, zum Beispiel mit einem Kontingent auf einem Studienkonto. Wer es verbraucht, muss zahlen.

Aber alles nur ein Missverständnis! Eigentlich hatte der Präsident Grünewald doch nur provozieren wollen, räumte er gleich im ersten Statement zu dieser Aussage ein. Um den Dogmatimus, dass Bildung etwas geschütztes sei, vor allem die Bildung an der Universität, in Frage zu stellen.

Er hatte die Studierenden zur Verantwortung rufen wollen, endlich einmal Bewusstsein dafür zu bekommen, was ihnen kostenlos jeden Tag Gutes widerfährt. Dozentin für Ökonomie und Bildung, Dr. Franziska Birke, bekräftigt ihn, indem sie bemerkt, sie habe während ihres Studiums nicht das Bewusstsein gehabt, sie verbrauche Geld.

"Es kann halt nicht jeder studieren", hätte Grünewald einer Studentin erläutert, als sie sich über die Doppelbelastung Arbeit und Studium beschwert.
Bestimmt in einem größeren Kontext, er könne sich nicht erinnern.

Wir, das Publikum, Studierende und Dozentinnen, dürfen keine Ko-Referate halten. Wir dürfen nur fragen. Sprachwissenschaftlerin Ute Sändig fragt gleich ganz viel, zum Beispiel, was denn mit dem Dogma sei, der ideale Akademiker sei ein weißer Mann ohne Bindung.

Promotionsstudierende Sabine Volk verteidigt die Dringlichkeit der Bildung als Menschenrecht, eine Dringlichkeit, die zu Chancengleichheit führt, nur mal so als Beispiel. Wem noch unklar, wofür das Bildung und alles.

Aber wir sollen ja nicht aus Prinzip blechen, sondern, um schön jung zu sein, beim fertig werden. Jung und schnell und schön. Wer kann daran Böses finden?

Ich möchte auch gern. Jung und schön und erfolgreich sein. Wenn ich weine, hole ich mir Anti-Ageing Creme. Habe ich Liebeskummer, verliebe ich mich nicht mehr. Stirbt jemand, stürze ich mich in die Arbeit, um zu vergessen.

Ein Student spricht von einer Akkumulation des Wahnsinns in einem Studium voller Leistungsdruck.
Sei nie anders gewesen. So die früher Geborenen.

Provokation, um eine Debatte zum Thema Bildungsfinanzierung anzuheizen. Hat super geklappt. Provokation am besten immer mitten ins Herz.

Sie wollen mich provozieren? Sie wollen uns provozieren? Wir Dogmatiker sollen einmal umdenken? Überlegen, was wir dem Staat da eigentlich antun? Ihm und den Kindern?

(Denn die kriegen keine freien Kitaplätze, weil wir ihnen das Geld dafür aus der Latzhose klauten)

Endlich Verantwortung übernehmen!

Danke. Jetzt weiß ich, warum ich so scheiße bin. Ich weiß mein Leben nicht zu schätzen. Es ist kostenlos. Ich muss ein bisschen Geld zahlen, um meine Seele aus dem Fegefeuer der Akkumulation des Wahnsinns zu ziehen.

7. Juli 2011

Rauchzeichen? Come on, ich dachte, Du hast aufgehört.

Letzte Nacht schwamm ich tief unten im Meer. Du standest auf einer Klippe und bliest Buchstaben aus der Lunge in die Tiefe. Ich dachte immer, Du rauchst gar nicht.

Im Wasser war es nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Ich spürte nicht die Schwere los, sondern mich nicht mehr.
Ich hatte die Technik im Schwimmbad geübt.

Deine Buchstaben landeten auf der Oberfläche, ich konnte sie von unten sehen.

Manchmal öffnete ich den Mund, um nach Luft zu schnappen, oder atmete falsch durch die Nase, dann drangen sie mir pieksend, schneidend in die Atemwege, wie es das aggressivste Chlor noch nicht geschafft hatte.

Das passierte, wenn ich nach oben sah.

Wenn ich nach oben sah, in das Dickicht aus Sonnenstrahlen, Reflektion und verpestenden Buchstaben, sah ich immer nur nach Dir.

Ich fürchtete, Du würdest Dich erschrecken und von der Klippe fallen.

Ich fürchtete, Du sahst, dass ich nackt war, und ich wollte mich schämen, doch tat es einfach nicht.

Vor Jahr und Tag hattest Du einen Sohn gezeugt, auch wenn er nicht existierte. Um meinetwillen hattest Du einen Sohn gezeugt, auf meiner rostigen Fingerkuppe. Nett.

Seinetwillen und deinetwillen war ich ins Wasser gegangen, ich hoffte so sehr, dass es den Rost abwaschen würde.

Aber ich rostete und rostete.

Ich hatte doch schon im Spülbecken gezittert, trotz des warmen, weichen Schaums.

Ich hatte nicht mit den Walen gerechnet. Nicht mit den Walen und Dir auf der Klippe und nicht dem Buchstabenrauch.

Ich hörte von ferne die Wale rufen, schon spürte ich sie an meinen Füßen knabbern.

Unser Sohn ritt auf dem Wal davon.

Ich rief nach ihm und ich rief nach Dir, die Buchstaben in anthrazitnem Rauch, plötzlich Ringe in den grauen Sturmwolken.

Ich hatte keine Schmerzen und ich schämte mich nicht.Ich streckte den Finger aus dem Wasser, ich wollte, dass Du mich zeigen sahst.

Nach oben paddelnd ging ich unter.

Von Kopf bis Fußnagel. Ich versagte, die Dämme waren gebrochen und ich schwamm im Meer.

Plötzlich tat sich auf das Wasser und ich konnte Dich sehen. Die Klippe ging unter mit Dir, die Steine brachen, einer traf mich hart am Hinterkopf, ließ mich taumeln und führte mich weiter, weiter in die Tiefe.

Die Steine verwirrten auch die Buchstaben. Sie stoben rußig auseinander, H's reduzierten sich zu I's, K's rundeten sich zu H's und umgekehrt. Ich zerbrach derweilen in der Mitte, Schwanz, Schuppen, Adern und Gedärm hingen wie lose Kabel aus mir. Hautschicht und Nervenstrang blieben heil und so brannte die Sonne so bös. Der Rost verklebte mir allen Blutfluss, ich vergiftete und tauchte auf.

Ich lag so flach und sah nach oben in die Sonne.

Ich lächle. Ich schaue seitlich. Etwas ist aufgetaucht. Neben mir: Ein Ä.

6. Juli 2011

Girls with glasses have feelings, too. And lesbarians.

Dialog neulich:

(A steht für Alien)


A:Was wolltest Du denn werden, bevor Du Schriftstellerin werden wolltest?

Me: Nichts. Ich wollte nie was werden, bis ich in der zweiten Klasse aus Eifersucht und Textkompetenz Schriftstellerin werden musste.

A: Dann musst Du es wohl werden.

Durch zwei kleine Vorfälle, weiß ich, dass dieses so absolut anmutende Gespräch keine Relevanz mehr für mein Leben hat.
Erster Vorfall: Ich trage nach vielen Jahre einmal wieder ein Kante-T-Shirt, dass ich mir einst auf einem Provinzfestival kaufte und jemand betitelt diese Musik als "Rock für 35-jährige Bibliothekarinnen."

Zweiter Vorfall: Statt meinen neuen Personalausweis zu beantragen, melde ich mich endlich in der Stadtbibliothek an. Und denke an meinen ersten Freiraum zurück: Die Dorfbibliothek.
Nein, Nein, Nein, das wird jetzt nicht schon wieder so eine Romantisierung der Kindheit, ne,ne, da gibts nichts zu beschönigen an einem sozial gestörten Kind, das mit 10 schon das Bedürfnis hatte, mal ganz neu anzufangen, viel mehr möchte ich hier die Entdeckung eines längst verdrängten Berufswunsches bekanntgeben: Bibliothekarin!

Na, toll, jetzt bin ich Medienschlampe und lass mir meinen Pony statt mit Hilfe des guten alten Stirnklebebands von nem piefigen Prenzlbergfrisör schneiden und muss Bücher so lesen, dass mir die Suppe nicht anbrennt.

So hätte der Dialog eigentlich aussehen müssen.

5. Juli 2011

Anleitung zum Schreiben.

Beinhaltet: Twittern, bloggen, literarsen, karla kolumnieren.

Warum anfangen?
Aus Fantasie, Eifer- und Ruhmsucht.
Beispiel: Johann Wolfgang von Goethe.

Warum weitermachen?
Aus Langeweile und Kompetenz.
Beispiel: Charles Bukowski.

Wo?
In die große Stadt gehen, um sich mit der Welt in Verbindung zu setzen und leben und fühlen zu lernen.
Beispiel: Sartre.

Wie kreativ pausieren?
Lieben und beschäftigt sein und aufhören.
Beispiel: Me and you and everyone we know.

Wie rück kommen?
Aufhören zu lieben und weiterschreiben, um wieder lieben zu können.
Beispiel: Ingeborg Bachmann.

Und wie schreiben?
So, dass die Straßen der Großstadt im Abbild zu Adern werden, durch die das Leben fließt, mit Deiner Tastatur als Anti-Spam Filter.
Für eine Leserschaft, so durstig. So durstig wie Du.
Beispiel: Rainer Maria Rilke.

Und wenn die Adern zu Kneipengässchen werden, Flüsse zu partypeoplebootstegen, Durst zu Trunksucht, Vorfreude zu Vorglühen?

Texte schreiben, denen man den Mist Deiner Stadt nicht mehr anriecht.
Where are you?

Metamorphosen

Mit sanften Fingern auf Menschenhaut – Sie wird mir zur Klinge.
Reiß ich die Arme hoch – ein Scherbenhaufen.

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