23. Juli 2010

Tomatensaft am Morgen


Schön ist es, aufzuwachen und zu hören, dass es draußen regnet. Und obwohl nackt schlafend, freut man sich darauf, sich gleich das erste Mal seit so verdammt langer Zeit, eine Jeans und einen Kapuzenpullover überzuwerfen, wenn man zum Friedlandtreffen fährt, was natürlich auch sehr schön ist, dass man das tut.
Schön ist es, dann in die Küche zu gehen und ein großes Glas Tomatensaft zu trinken. Und wissend zu lächeln, warum der Tomatensaft noch hier ist.
Schön ist es nämlich, wenn man jemanden hat, der einen besucht, mit Tomatensaft, Wodka und Tabasco im Schlepptau, mit dem man den tollsten Cocktail der Welt etliche Male mischen kann, während man differenziert über alles redet. Schön ist es, wenn der jemand ein freies, kluges Herz hat, dass sich stoßen darf, nicht verletzt werden soll, den Kopf als Schutzmaßnahme heranzieht, aber ein Stolpern im Rennen nicht vermeidet.
Schön ist es, dass ich meine heißgeliebte "Bloody Mary" kaum Cocktail nennen mag, denn sie stillt nicht den Durst, aber die Sehnsucht nach Fülle in ihrer Konsistenz. Sie ist nicht süß, sie ist durch Meersalz, Zitronensaft und Tabasco salzig, säurig, scharf und aufregend. Sie macht nicht sofort duselig und betrunken, sondern langsam erst heiß, dann offen, dann müde. Ich sehe mir "Bloody Mary" gern an: Sie ist so rot, wie es kein komischer süßer Erdbeercocktail je sein kann. Sie sieht aus und schmeckt wie das Leben.
Und so schön es also ist, sich damit zu betrinken und doch nicht den Kopf zu verlieren, sondern herzaktiviert, aber, durch den Austausch von Gedanken, Nicht-Rekursivität vermeidend, zur Vernunft zu kommen.
Aber am Schönsten ist es, dass man jemanden hat, der den Wodka und den Tabasco wieder mitnimmt und für eine Weile von dannen zieht. Dass man dann erfrischt- denn von "Bloody Mary" kriegt man keinen Kater- aufwachen kann und sich darüber freuen, dass noch eine Packung Tomatensaft da ist. Zu geniesen ganz ohne Wodka und Tabasco, sondern aus dem Fenster in den Regen schauend und lächelnd. Nicht selig, nicht verträumt, aber halbwegs klaren Herzens und nicht grimmig.
Im Grunde ist "Bloody Mary" ja doch nur Tomatensaft mit Alkohol und gewürzt.

Bildnachweis:serviceseiten 50plus.

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