9. Juli 2010
Ich seh aus dem Fenster, weil ich die Strecke noch nie gefahren bin.
"Die Matten liegen auf dem Hof." Ich renne die Treppen hinunter, meine Lederjacke kracht dabei ein wenig. Ich trete hinaus in die Luft des Sonntagvormittags. Sie schmeckt genauso, wie ich es mir vorgestellt habe: Nach Regen, nach nassem Stadtgras, herrlich nach Abgas, nach dem Beton der umgebenden Häuserblöcke, nach einem Spiel in den Büschen, danach, einen Stadtigel zu finden, sich an ihm zu stechen und noch jahrelang Angst vor Tollwut zu haben. Das Licht blendet mich ausnahmsweise nicht, ich blicke mich um und ich kann ungestört sehen. Ich sehe die Badmatten, die von der Brüstung des Laubengangs auf den Hof gefallen sind, rot und schwarz aus dem graugrünen Gras hervorstechen, schnappe sie mir, renne die Treppen hinauf und lege sie auf den Boden des Badezimmers. Einen Moment blicke ich mich da um und frage mich,wie es auf einen Fremden wirken muss. Das Badezimmer ist ein so privater Raum, hier steht nur, was hier stehen muss, damit man sich hier in seiner Nacktheit verlieren kann. Der private, einsame,bloße Moment,in dem man sich in seinem eigenen Dunstkreis und dem der feuchten, verbrauchten, nebligen Luft der Kammer suhlt, soll nicht zerstört werden, in dem man Dinge aus anderen Zimmern holt. Ich stehe angezogen im gut durchlüfteten Raum, ich sehe mir seine Gegenstände an und ich bin der Fremde. Aber ich weiß nicht, was ich halten soll, von der Mixtur aus Pflegeprodukten zweier unterschiedlicher Mädchen. Duschgels mit kitschigen Namen, Zahnpasten in Tuben und Fläschchen und Schwämme und Kokoskram. Ich gehe in mein Zimmer, sehe die pinken Tulpen in der lilafarbenen Gießkanne, den verregneten, so uneuphorisch schönen, echten Morgen, schmecke Hagbutten-Hibiskustee mit Himbeeraroma und bin angekommen, wieder zu Hause, in einer Kindheit aus graugrünem Stadtgras, graubraunen Pfützen, billigen Gummistiefeln und Beton.
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