19. April 2011

Manchester, Spring 2011, oder Aus der Kategorie "Und für uns bleibt nur das schöne Leben": Mein Herz ist wie Toastbrot und die ganze Geschichte hier schmeckt langsam nach Essig.

Scratch my name on your arm with a fountain pen (This means you really love me)
So unrealistisch und zuckersüß wie die ewige Schulhofliebe mit dem Tintentattoo waren meine Tage in Manchester.
Es scheint mir, hier leben nur StudentInnen, die ihr bisheriges Leben nur danach schmachteten, in die Pilgerstatt des Heartbeats und Riffs ihrer Jugend (also Smiths, Oasis und so) zu ziehen, um hier alle Entbehrungen ihrer langweiligen Heimatstädte durch maßlosen Konsum schöner, also wirklich schöner Dinge zu sühnen.
Und ich mach einfach mal ein paar Tage mit.
Bin beinahe allein unter Deutschen bei Portugal The Man , da sie dort ein Vielfaches mehr an Popularität besitzen als hier.
Feiere mit ErasmusstudentInnen und Couchsurfern so Lagerfeueraction, um den Tipp für meinen neuen Lieblingsort zu bekommen.
Die Islington Mill in Salford. Salford liegt neben Manchester und hat einen schlechten Ruf, der ihm großartige Werbemöglichkeiten für eine verruchte Alternativkultur und verbotene Schönheit einbringt. In der Islington Mill findet am Sonntag, dem 10. 04. ausgerechnet ein Tag der offenen Tür statt, der neben einer Veggieband, die gleichzeitig mit Gemüse Musik macht und kocht, mir einen wundervollen Abend eröffnet, an dem unter anderem Stealing Sheep spielend teilnehmen. Sie mögen sich erinnern, ich rezensierte vor etwa einem Jahr ihr Konzert und ihre erste EP "What if the Lights went out" und fand, sie sollten Menschen werden, anstatt herumzunymphen. Und siehe da, sie haben eine neue Gitarristin, sie seelen und werden von den Indieprinzessinnen zu Harmoniesängerinnen , die die Schönheit des Lichtes in die heruntergeklappten Lichtschalter per Wunderkerzenfunken sprühen und brauchen kein Märchen mehr, können viel mehr endlich sympathisch sein, ohne forever niedlich zu bleiben. Frau ist nun bei Rough Trade. Ein Sieg für ein selbstbewusstes Frauenbild und die Popmusik! Ich bin begeistert!
Es geht weiter mit Austra. Ich habe selten eine Band gesehen, deren Sängerin ein derartiges Lady Gaga Imitations-gehabe an den Tag legt, deren Lyrik an den Gipfel der Dämlichkeit grenzt (man muss schon eine besondere Veranlagung zur Peinlichkeit haben, um "fire" auf "desire" zu reimen), deren unbarmherziges Schlagzeug und wundervolle, kräftige (oh mann, ja, es gibt Menschen, die noch singen können!) Stimme mich so verzaubert, dass ich mir wünschte, die Tante in durchsichtig und ohne Hose würde mich direkt nach Hause begleiten, neben meiner Badewanne stehen, mir ein Räucherkerzchen anzünden und mich erschauern lassen.
Dass Stimmen das noch können, ohne zu nerven!Entschuldigung, Regina, entschuldigung, Marina, ich verlasse mal kurz die übersensible Welt der Alltagsgefühle und emotionaler Intelligenz, ich habe mich für die dunkle Seite des narbigen, simplen, mir in den Bauch tretenden Verlangens entschieden. So dunkel ist es, so dunkel auch wie der tägliche Earl Grey,
so dunkel ist der Weg zu Fuß von Salford, der verbotenen Stadt, der "other City", zurück ins nächtliche Manchester.
Teegeschmack auf den Lippen. Essigschips brennen auf der Haut. Mein Herz ist wie Toastbrot: Schwammig, nicht gerade kompakt, unheimlich tasty und dennoch ohne viel Substanz. Zumindest hier, wo nichts real zu sein scheint, ich mich umsehe und im Kopf meinen Kleiderschrank durchgehe, um etwas vom Stil der roten Backsteinreihenhäuser an meinem Körper durch das graue Berlin zu tragen.
Beim Kurztrip nach Liverpool werde ich sogar fast religiös, so irreal ist die ganze Situation hier. Zuviel Musik und Mode und gutes Wetter und zu wenig Sorgen für mein tortured mind.
Doch als ich wieder da bin, muss ich husten. Und sehe mich um. Es ist Frühling, verdammt.
Ja, so läufts, und so wirds weiter laufen, denn der Teufel scheißt auf den größten Haufen.

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