6. November 2010

Seriöses Knäckebrot und konservative Gemüsesuppe




Da ist so ein Trumm Knäckebrot. Wurst liegt drauf. Irgendein Fleischkäs, eine Scheibe Römerbraten vielleicht. Und der kleine Junge hat es sich mit Butter beschmiert, und er freut sich darauf, es zu essen. Denn den Aufschnitt hat die Mama mitgebracht, die ist Fleischereifachverkäuferin und das Knäckebrot, das ist seriös. Lehrerinnen essen sowas, Lehrerinnen und andere schöne, strenge, seriöse Geschöpfe. Geschöpfe zum Hochgucken und Auslachen.
Da guckt ein mittelgroßer Junge ein großes Mädchen an, wie es vor ihm steht, einen kleinen Löffel in der Hand, die Augen erwartungsvoll weit aufgerissen. Er nimmt den Löffel aus ihren zarten Fingern, pustet, probiert und sagt: "Eine gute Gemüsesuppe. Eine richtig gute konservative Gemüsesuppe." Und er versteht nicht, als ihr Lächeln aus den Lachmuskeln nach unten fällt und sie spöttisch wiederholt: "Eine konservative Gemüsesuppe."
Da ist eine Frau, die will Kartoffeln kochen. Sie legt die Kartoffeln alle miteinander auf ein großes Brett. Sie schält und schneidet sie. Die letzte, die scheint ihr irgendwie unförmig, bald möchte sie diese wegwerfen. Dann jedoch fällt ihr die besondere Art der Unförmigkeit auf: Es ist eine Herzkartoffel! "Mein Gott, auch noch eine Herzkartoffel", stöhnt die Beschäftigte. Sie schält umso genüsslicher die hübsche Rundheit des Erdapfels entzwei. Geschält sieht das romantische Gemüse schon anders aus. Hässlich. Sie lacht grimmig und hackt es in kleine Stücke. Herzen in kleine Stücke hacken, wann bekommt man schon einmal diese Gelegenheit? Einiges fällt neben den Herd. Es wandert in den Müll.
Frau isst. "Ich habe mich an einer Bohnenfaser verschluckt!", denkt sie und muss husten.

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