3. November 2010

Und einmal, beim Zähneputzen, da habe ich über Liebe und Romantik nachgedacht.

Da habe ich in den Spiegel geguckt. Und dann fing mein kopfiges Köpchen an zu rattern, während das Herz es mit fleißigen, fördernden Stichen antrieb.
Aber ich habe ja Zähne geputzt nebenbei, und so blieb alles etwas klar, denn was gibt es Unklareres als den Vorgang des Zähneputzens, bunte Borsten auf weißem Knochenmaterial?
Ich habe so gedacht: Gängig ist so die Vorstellung, man liebt auf Zeit. Schon auch mal ein bisschen länger, so 10 Jahre oder so. Und dann weint man ein paar Monate. Dann steht man auf, und liebt wieder irgendwen. Bis das auch wieder vergeht, das spinnerte.
Auf der Buchmesse in Leipzig hat ein Autor, dessen Namen ich vergessen habe, gesagt: Die Liebe ist ein Zustand zwischen Besitz und Nichtbesitz, der nie länger als 12-18 Monate dauern kann. Ich hab ihm das geglaubt damals. Vielleicht dachte ich, ich weiß was Liebe ist.
Ich habe dann erst einmal ausgespuckt und den blauen Flecken im Waschbecken beobachtet. Wie er so auseinanderfließt, leider nicht auf den Ausguss zu, sondern halt einfach so da kleben bleibt und das Waschbecken verunziert.
Dann habe ich die Bürste wieder auf die Zähne getan, in regelmäßigem Rhytmus geputzt und gedacht:
Wenn das so wäre, mit der Liebe, was unterscheidet sie denn dann von körperlichem Begehren? Mir ist wohl bewusst, dass schön geformte Schenkel vielleicht nur 12-18 Monate reizen, dann sind sie ein bisschen, wie das ehemals so wundervolle, einzigartige T-Shirt, dass man dann aber etwas zu oft getragen hat, und nach 12-18 Monaten ist es einfach nur etwas, das den Kleidersschrank noch voller macht, denn inzwischen hat man ganz viele andere tolle T-Shirts gefunden. Aber es jetzt wegzuschmeißen, wäre auch irgendwie unökonomisch, es ist ja noch ganz gut. Also trägt man es nicht mehr jeden Tag, ab und zu darf es mal noch mitkommen, ansonsten am Besten dafür sorgen, einen abwechslungsreichen Ausgleich zu finden, um Einheitsgarderobe zu verhindern. Wenn es dann ein Loch hat, irgendwann, dann muss man mal sehen, ob man das noch flicken kann. Aber das wäre ziemlich müßig und so ist die Altkleidersammlung auch eine Option.
Ich trete zu nah ans Waschbecken und ein Fleck landet auf meiner Hose.
Woody Allen sagte mal, die meisten Menschen wären niemals in ihrem Leben verliebt gewesen, wenn sie nicht so oft etwas im Fernsehen darüber gesehen hätten. Naja, mhm, bei all den Partnerschaften, die ich so sehe, denke ich mir wirklich, wie soll dieses wundervolle Ereignis auch so oft eintreten? Es ist doch wahnsinnig viel Glück und Zufall dabei, dass zwei Menschen sich treffen und dieses Erlebnis haben, diese leise Ahnung, dass da gerade etwas in den Kopf und ins Herz dringt, einen beeinflusst, die Welt mit ganz anderen Augen sehen lässt, man irgendwie glaubt, man sei abhängig vom anderen und dieser von einem, also nicht finanziell oder so, sondern einfach, das Herz hängt an und der Rest hängt zwangsläufig dran, weil der andere das Leben so bereichert und Reichtum ja schon erstrebenswert ist und man sich ganz von alleine jeden Tag sehen möchte, weil man das gar nicht aushält vor Sehnsucht... Und wäre das nicht irgendwie ein trauriges Leben, wenn etwas, das bereichert hat, wegfällt, auch wenn es nur 1-18 Monate da war...Würden Paare sich wirklich lieben, bräuchten sie dann verabredete Tage in der Woche, die sie zu zweit verbrächten? Ausgleich? Würden sie nicht einfach nach getaner Arbeit, unbeachtet der Uhrzeit, zum anderen fahren, weil sie einfach bei ihm sein würden wollen? Und könnte die Liebe dann ganz vernünftig aufhören, mit einem letzten Treffen, einem Anruf oder gar einer SMS? Ist so viel Kraft wirklich vorhanden, bei all meinen Mitmenschen, sich 3 bis x mal zu verlieben und zu entlieben? Nicht schlafen und essen zu können? Sind alle anderen eigentlich stärker als ich? Oder ist es doch eher so ein Vertrag, den sie Liebe nennen, eine Schnittmenge aus gemeinsamen Interessen und körperlicher Angezogenheit?
Mein Mund war ganz voll von Zahnpasta und Schaum. Ich guckte in den Spiegel und sah, ich hab Schaum vorm Maul und dann hab ich gelacht, denn die Liebe und Zahnpasta, das sind schon auch witzige Angelegenheiten! Wie sowas kleines, schleimiges, sich so wichtig machen kann! So eine Unwichtigkeit so wichtig wird, wenn sie ausgegangen ist! Sich bereichern durch einen Menschen und dann behaupten, man sei eigenständig und unabhängig.
Ich spuckte diesmal direkt in den Ausguss.
Ritsch-Ratsch-weiter Zähne putzen...
Aber wenn man sich nicht bereichert durch einen Menschen, wenn es viel mehr wichtig ist, nicht allein zu sein, und nicht gar so ungemeinschaftlich, sondern aufeinander kulturell und sozial eingestellt nicht allein zu sein und man dann nach ein paar Jahren wieder jemand anderen gefunden hat, mit dem man nicht allein ist, der einen auch irgendwie bereichert, aber von dem man nicht abhängig ist, was unterscheidet dann die Liebe von der Affäre? Dass man seine Freunde vernachlässigt, dick wird und statt auszugehen, einen DVD-Abend nach dem anderen schiebt? Oder dass längere, distanzlose und stabilere Beziehungen geeigneter sind, wenn man sich reproduzieren möchte? Weil man sich dann die Aufpassarbeit einteilen kann? Weil einer dann entscheiden kann, zu Haus zu bleiben? Naja, schon klar. Einer muss ja rackern gehen und seinen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Ist dann schon sozial verantwortungsvoller, wenn man sich da seine Entlastung sucht, relativ regelmäßiger Sex inklusive.
Ich spucke noch mal treffsicher und lege die Zahnbürste dann zurück zu den vielen anderen.
Es ist schon ein seltsam Ding: Einen einzigen Freund oder eine einzige Freundin zu haben ist ziemlich langweilig und schränkt ein. Aber in der institutionalisierten Liebe ist es das menschlich fördernste, wenn man zu zweit bleibt? Partnerschaft? Irgendwie hört sich der Begriff so gar nicht nach Liebe an, eher nach einer Firmenfusion oder so.
Ich bleibe noch eine Weile im Badezimmer.
Naja, wenn man verliebt ist, hat man ja kaum einen Blick für einen anderen Menschen. Oder doch? Aber eben nicht gleichzeitig, sondern über Jahre hinweg? Ist es eigentlich verwerflicher, jemanden mit tiefschürfenden Gedanken zu betrügen, oder tiefschürfenden... Naja, lassen wir das. Verwerflich, ich bitte mich. Überhaupt, die schwierigste Beziehung habe ich eigentlich mit mir selbst. Nie bin ich zufrieden, immer könnte ich mal etwas mehr an mir arbeiten, mir etwas mehr Beachtung schenken, mir einen Ausgleich suchen, mehr Perspektiven und Kompromisse zulassen. Nicht einfach mal etwas in Ruhe lassen, immer habe ich was zu meckern. Ich bin so ein Kräfte zehrendes, lang andauerndes Projekt!
Die Liebe dagegen, so wie ich sie fühle und beschrieben hab, die ist doch einfach da oder nicht. Da gibt es nichts zu überlegen, ob die gut oder schlecht ist, kurz oder lange. Wann sie anfängt und wann sie aufhört, das kriege ich schon mit, empfindlich, wie ich bin. Was hat denn ein Partner damit zu tun? Geht den doch nichts an.
Wunsch nach besinnlicher Zweisamkeit ist ein Konstrukt. Gefühle sind zu präsent, um eins zu sein. Und zu kompliziert, um im 5 Jahrestakt anzufangen und aufzuhören. Das sind so die Selbstläuferprojekte. Partnerschaften, naja, wer sonst nichts zu tun hat, im Leben.
Ich sollte mir mal wieder eigene Zahnpasta kaufen, anstatt sie von meiner Mitbewohnerin zu klauen.

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