6. Oktober 2010
Ein Ideal von Tee
Es ist immer schön, wenn man etwas an das Ende eines arbeitsamen Tages legt, auf dass man sich freuen kann. Bei mir war das heute sogar die Erfüllung eines recht dringlichen Wunsches: Seit Tanten- und Trödelladenbesuch, bei dem ich mit seit achtzehn Jahren geübter Bettelschnute die perfekte Teetasse erstand, laufe ich einem Ideal von Tee hinterher.
Im Sonnenlicht des vierten Stocks der UDK-Bibliothek an einer Hausarbeit sitzend, beschloß ich, dass es heute Abend so weit sein sollte. Zunächst führte mich also beim Nachhauseradeln mein Weg an REWE vorbei und ich erstand eine "GEPA Ostfriesen Bio Mischung". Eine nette Mixtur aus schwarzen, losen Tees also.
Zuhause ließ ich die Trödeltasse ersteinmal in kochendem Wasser einweichen. Keime und so. Da fielen mir noch die genial-kitschigen geerbten Salz- und Pfefferstreuer in Vögleinform ein, sowie die neuen japanischen Teezeremonieschalen vom Geburtstag. Auch die sollten mal kräftig ausschwitzen! Während ich wartete, bis ich abwaschen konnte, ohne mir die Finger zu verbrennen, sah ich mal wieder eine Motte. Zeit, den Tiefen meines Küchenschrankes mal auf den Grund zu gehen. Ungefähr seit einem Jahr habe ich das wohl nicht mehr gemacht, denn nur so lassen sich die Unmengen an verschimmeltem Brot erklären. Aus meiner Scham zog ich Kraft, säuberte alles gründlich, legte mir eine neue hygienischere Schrankrangfolge an, beugte ähnlichen Szenarien im Kühlschrank vor und triumphierte letztendlich über die verhinderte Mottenplage. Nun hatte ich Hunger. Nach zwei Ziegengoudatoasts fiel mir die Spüle wieder in den Blick. "Der Tee! Du musst deinen perfekten Tee trinken!" rief eine sehnsuchtsvolle Stimme in mir. Ich wusch also alles ganz gründlich ab, inklusive der neuen Tasse, die aus unendlich vielen, rafinierten Kleinteilen besteht. Endlich lohnte es sich, erneut Wasser zum Kochen zu bringen, diesmal allerdings für den Genuss, nicht die Hypochondrie.
Den Tee fülle ich zunächst in eine kleine, nostalgische Teedose und dann mit dem zugehörigen, echten Teelöffel drei ebensolcher in den Siebaufsatz der Tasse. Langsam und geniesend schütte ich das brodelnde Wasser darüber. Lasse ihn drei Minuten ziehen.Gieße etwas davon zurück in die Spüle. Gebe ein paar Tropfen Milch dazu und erneut mit dem bezaubernden Löffelchen einen Klecks Honig hinein. Nachdem ich ihn fotografiert habe, hat der Tee die perfekte Trinktemperatur. Die Vorbereitung hat zwei Stunden gedauert. Ihn zu trinken dauert genau drei Minuten. Aber für 3 Minuten steht meine Welt still. Es ist ein Ideal von Tee.
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