5. Oktober 2010

Der Ort, an den ich gehe...

wenn es nachts ist und ich gewisse Bedürfnisse verspüre, ist der Späti gegenüber.
Daher kennt mich der Mann hinter der Theke in dunkelsten Momenten. Ich denke, es ist keine Paranoia, wenn ich behaupte, ich kann seiner Stimmlage, seinem Lächeln und der Größe seiner Pupillen entnehmen, dass er immer genau erahnt, warum ich um 2:00 nachts jenen Schokoriegel, dieses Kirschbier, Filterzigaretten oder Tabak benötige. Als meine ehemalige Mitbewohnerin vor einiger Zeit zu Besuch kam, nachdem sie schon ein halbes Jahr woanders gewohnt hatte, fragte er sie, wo sie denn die ganze Zeit gewesen sei und reichte ihr sogleich ihre favorisierte Zigarettenmarke. Wenn ich an verkaterten Wochenendmorgen in Begleitung und trügerischer Zweisamkeit erschien, um Tabak zu kaufen, grinste er wissend und vorausschauend. Ich werde nie den Sonntag vergessen, an dem ich für eine Freundin Cola besorgen musste, und zwar keine Coca. Er rettete mich mit einem Getränkepulver mit Colaaroma, nach welchem ich dann einen Sommer lang süchtig wurde. Ich trank täglich mindestens drei Liter, die ich mir im Messbecher anrührte und Bill Murray in "Coffee and Cigarettes" gleich direkt aus dem kannenähnlichen Gefäß konsumierte.
Eine Tütensuppe sowie eine halbe Dose Weinblätter ist nun verzehrt und mein Appetit auf Zucker steigt ins Unerträgliche. Ich weiß nicht, ob es erbärmlicher wäre, wenn ich nun den Mann, der zu den beständigten meines Lebens gehört, seit ich in Berlin bin, wissen lasse, dass ich süchtig nach Schokolade, Alkohol, Zigaretten und Aufmerksamkeit bin, als dass ich jetzt löffelweise Nuss-Nougatcréme in mich schaufele.

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